Nicht nur bei Forsa im Keller: die SPD und die Umfragen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 5 Min.

Vor ein paar Tagen sorgte eine Umfrage für ein bisschen Aufregung - nicht weil die SPD mal wieder auf einem Tiefstand angekommen war, sondern weil es die Demoskopen von Forsa waren, die diese Zahl veröffentlicht hatten. Das Institut gilt als Sozialdemokratenschrumpfer, seit langem gibt es Kritik daran, dass Forsa-Chef Manfred Güllner die SPD notorisch unterbewertet - aus, wie es oft heißt, enttäuschter Zuneigung oder so ähnlich, denn Güllner ist selbst Sozialdemokrat. Forsa schätze „systematisch die Chancen der SPD niedriger ein als sämtliche andere Institute. Es gibt Theorien, warum die besondere Beziehung von Güllner zu der Partei dafür verantwortlich sein soll“, schrieb etwa Stefan Niggemeier. Und stellte anschauliches Zahlenmaterial dazu.

Nur: Auch bei den anderen Instituten kommt die SPD nicht aus dem Knick. „Abstand von Union und SPD so groß wie lange nicht“, meldete am Donnerstagabend der ARD-Deutschlandtrend von Infratest dimap. Die Sozialdemokraten landen in deren aktueller Umfrage bei 25 Prozent - das sind zwar ein paar mehr Punkte als bei Forsa, aber auch diese liegen auf einer absteigenden Trendlinie. Noch zum Jahreswechsel hatte die SPD bei Infratest Werte bis zu 30 Prozent erreicht. „SPD bricht ein – schlechtester Wert seit gut zwei Jahren“, meldete unlängst auch die Forschungsgruppe Wahlen. Sie taxierte die Sozialdemokraten bei 26 Prozent, 17 Punkte hinter der Union. Der Trend für die SPD im vergangenen halben Jahr bei Allensbach: fallend. Die Werte bei Emnid: dito.

Kurzum: Mit Umfrage-Vodoo allein lässt sich die wahlpolitische Krise der Sozialdemokraten nicht erklären. 13 Prozent der befragten rechnen derzeit noch damit, dass Peer Steinbrück Kanzler werden könnte. Seine Popularität sinkt, die Zahl derer, die sich bei einer Direktwahl für den Sozialdemokraten entscheiden würden, ebenfalls. Die SPD hat in den vergangenen Tagen versucht, mit inhaltlichen Vorstößen dagegenzuhalten, die Zusammenfassung von bereits formulierten Wahlforderungen in neuen Zusammenhängen (Investitionsprogramm, Pflegeoffensive) sowie das leidliche Bemühen, in der Geheimdienstaffäre wirksame Opposition auf das Wahlkampfparkett zu bringen, waren jedoch ebenso wenig erfolgreich wie die stärker persönliche Inszenierung des Spitzenkandidaten - nebst unterdrückter Tränen und Auftritt der Gattin. Ob Steinbrücks mit einem Interview in der „Zeit“ angelaufene Ost-Offensive die Wende bringt, steht dahin.

Politisch erscheinen derzeit drei Faktoren die demoskopische Krise der SPD maßgeblich zu bestimmen: Erstens die Politik der SPD, die heute weiter hinter dem zurücksteht, was Sigmar Gabriel in seiner Rede auf dem Dresdner Wahlniederlagenparteitag von 2009 als Re-Sozialdemokratisierung skizziert hat: stattdessen ängstlicher Pragmatismus, Visionslosigkeit, Standort-Opportunismus. Zweitens die fehlende machtpolitische Aussicht, welche die Linkswendungen per Wahlprogramm, die es ja durchaus gegeben hat, als wenig glaubwürdig erscheinen lassen: Selbstblockade durch Ausschluss von Bündnispartnern nach links (über den Anteil, den die Linkspartei daran hat, wäre an anderer Stelle ausführlicher zu reden); offene Türen in Richtung Große Koalition - und das, obwohl jeder Sozialdemokrat heute schwört, man wolle das nicht, das schade nur und so fort.

Drittens krankt die SPD aufgrund ihrer relativen Größe wahrscheinlich mehr als andere an einem grundlegenden demokratiepolitischen Problem: „Generell meinen 80 Prozent, dass sich die Parteien nicht an ihre Wahlkampf-Ankündigungen halten, wenn sie nach der Wahl an die Regierung kommen“, heißt es bei der Forschungsgruppe Wahlen. Das ist nur ein Beleg für eine Entwicklung, die davon gezeichnet ist, dass sich das wahlpolitische Geschehen entpolitisiert - Personalisierung, aufmerksamkeitsökonomische Eigenregeln, Amtsinhaberinnenbonus. Folge: Die Zahl der Nichtwähler liegt enorm hoch, die Zahl derer, die statt auf Veränderungen auch ihrer eigenen Lage zu setzen lieber so weitermachen wollen wie bisher, ist anhaltend groß.

Wahrscheinlich spielt zudem noch der Bandwagon-Effekt eine Rolle: die Bereitschaft von Wahlberechtigten, sich als potenzielle SPD-Wähler zu erkennen zu geben, sinkt in dem Maße, wie die Erfolgsaussichten der Sozialdemokraten geringer werden - Umfragewerte beeinflussen auf diese Weise Umfragewerte. Und schließlich kommt der Kanzlerin zu Gute, was der Opposition - keineswegs nur der SPD - das Wahlkampfleben schwermacht: Überpräsenz in den Medien. Seit Jahren wertet MediaTenor aus, welche Politiker und welche Parteien wie oft in den maßgeblichen Medien vorkommen.

Der jüngste Bericht ist überschrieben mit „Union mit Präsenz-Vorsprung“. Über CDU und CSU wird demnach fast doppelt so viel berichtet wie über die SPD, danach rangieren die Freidemokraten - hier macht sich der langem bekannte Effekt bemerkbar, dass Regierungsparteien häufiger in den Meldungen und Berichten erwähnt werden. „Die Berichterstattung über die Grünen liegt an der Wahrnehmungsschwelle - die Linke klar unterhalb“, heißt es bei MediaTenor. Einmal von inhaltlichen und strategischen Fragen abgesehen, ließe sich sagen, dass das rot-rot-grüne „Lager“, oder anders formuliert: dass die drei Oppositionsparteien im Bundestag, durch Unterrepräsentanz auch einen Wahlkampfnachteil haben. Es steht auf einem anderen Blatt, was die drei Parteien - jede für sich - dagegen tun könnten. Medienschelte, wie sie unlängst auch von Peer Steinbrück betrieben wurde, hilft da aber sicherlich nicht.

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