Drohende Förderlücke beim Ökolandbau

Reform der EU-Agrarpolitik erhöht Naturschutzanforderungen, aber kürzt Mittel für Boden- und Artenschutz

  • Benjamin Haerdle
  • Lesedauer: 3 Min.
Ökolandbau boomt in Deutschland. Doch die jüngsten Reformen der EU-Agrarpolitik - so fürchten Bio-Landwirte - bedrohen ausgerechnet die umweltfreundliche Landwirtschaft.

Mehr als 23 000 deutsche Agrarbetriebe wirtschafteten im Jahr 2012 nach Öko-Standards auf mehr als einer Million Hektar, einer Fläche etwa halb so groß wie Sachsen-Anhalt. Das freut nicht nur Kiebitz, Feldhase oder Rebhuhn, die sich auf pestizid- und düngemittelfreien Äckern und Wiesen wohl fühlen, sondern auch die wachsende Zahl der Käufer von Produkten mit Biosiegel. Doch diese Entwicklung könnte bald ein Ende haben. Das jedenfalls fürchtet Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Grund dafür sind die Reformen zur europäischen Agrarpolitik, die die Landwirtschaftsminister der EU-Staaten Ende Juni beschlossen haben.

Denn Brüssel, das ergaben Berechnungen des Erzeugerverbands Bioland und des NABU, kürzte die Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums, also jene Gelder der sogenannten zweiten Säule, die beispielsweise in Programme zum Schutz des Bodens, von bedrohten Tier- und Pflanzenarten oder eben den Ökolandbau fließen, um rund 20 Prozent. Das Minus sei ein »herber Rückschlag«, sagt Löwenstein. Sollten die Bundesländer, die dann die Förderprogramme für den Ökolandbau ausschreiben, die Prämien tatsächlich reduzieren, könnte das bedeuten, dass weniger Betriebe auf Bio umstellen und Ökobetriebe wieder zum konventionellen Anbau wechseln. »Dabei kann die Nachfrage am Markt schon jetzt kaum gedeckt werden«, klagt er.

Trotz der heftigen Kürzung bei der zweiten Säule zeigt sich der BÖLW-Vorsitzende mit den Brüsseler Agrar-Beschlüssen insgesamt zufrieden. »Der Richtungswechsel in der EU-Agrarpolitik ist gelungen«, sagt er. Die Vergabe von Direktzahlungen an Landwirte, die sogenannte erste Säule, werde in Zukunft an die Anforderung geknüpft werden, ökologische Mindeststandards zu erfüllen. Dieses sogenannte Greening sieht beispielsweise vor, dass Landwirte ab 2015 fünf Prozent, ab 2017 sieben Prozent ihrer Fläche ökologisch bewirtschaften müssen. Zudem dürfen sie Wiesen und Weiden nur noch unter Auflagen in Ackerland umwandeln. Das Umpflügen artenreichen Grünlands in Schutzgebieten soll gänzlich verboten werden. Halten sich Bauern nicht daran, können mindestens 30 Prozent der EU-Prämien abgezogen werden.

Umweltverbände wie der NABU oder WWF zeigten sich dennoch unzufrieden mit der Reform, weil EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos weit strengere Auflagen verhängen und schon ab 2014 auf sieben Prozent der Betriebsfläche dem Naturschutz Vorrang einräumen wollte. »Viele wichtige Vorschläge sind aufgrund der Verhandlungen der Agrarlobby und zahlreicher EU-Staaten wie Deutschland verwässert worden«, kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Weil Brüssel seinen Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Agrarreform aber Freiräume ließ, setzen Umweltschützer nun auf die Bundesregierung. Bis zu 15 Prozent der Gelder aus der ersten Säule könnte sie in die zweite schieben - und so dem Ökolandbau helfen. Doch davon will Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner vorerst nichts wissen. Damit, so Löwenstein, stelle Aigner die Signale für die Entwicklung des Ökolandbaus auf Stopp.

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