»Amok« bis nach Thüringen

BKA folgt bei Rechtsterrorismus-Ermittlungen auch Schweizer Spuren

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Mittwoch haben das Bundeskriminalamt (BKA) und mehrere Landesämter Razzien gegen eine international agierende Nazi-Gruppierung gestartet. Endlich werden Beziehungen in Richtung Niederlande und vor allem in die Schweiz untersucht.

Sebastien N. ist 25 Jahre alt und ein einschlägig bekannter Neonazi aus der Schweiz. Im Mai 2012 soll er in Zürich einen Mann niedergeschossen haben. Seine Flucht endete auf dem Bahnhof in Hamburg.

Offenbar war N. von einem einstigen Gesinnungsgenossen (die hat N. dort zuhauf) verpfiffen worden. Man lieferte den Typen in die Schweiz aus. Gestern wurde auch Ns. Zelle durchsucht. Ziel dieser und aller anderen Razziamaßnahmen gegen das internationale »Werwolf«-Terrornetzwerk waren Erkenntnisgewinn und Beweissicherung. Beides ist - wie der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) deutlich belegt - wichtig für dringend notwendige und allzu lange versäumten Strukturermittlungen im Rechtsaußenbereich.

Einen Hinweis, dem die BKA-Leute sicher nachgehen werden - so das nicht schon geschehen ist - hat N. in Hamburg 2008 öffentlich durch Straßen getragen - ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Amok«. Das ist eine vierköpfige Schweizer Band aus dem rechtsextremistischen Blood&Honour-Bereich, mit offenbar guten Beziehungen nach Thüringen. Deren Liedtexte sind eindeutig gegen das »Judensystem« gerichtet. »Auf der Straße soll fließen euer dreckiges Blut ...« Die Amoksongs »rufen auf zur Gewalt, Hail C18 - wir machen euch kalt!«

C18 bedeutet Combat 18. Es handelt sich um den bewaffneten und mehrfach als Mördertruppe in Erscheinung getretenen militanten Arm der B & H-Bewegung. Die 18 symbolisiert Hitlers Initialen. Zumindest zwei Bandmitglieder wurden in der Schweiz wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt. Bekannt sind auch gute Kontakte zur entsprechenden Szene in Thüringen. Es gibt Gerüchte über gemeinsame Schießübungen, bestätigt ist aber, dass nicht nur Redner aus der Schweiz sondern auch »Amok«-CDs beim sogenannten Fest der Völker 2009 in Pößneck auftauchten. Das »Fest« wurde initiiert von André Kapke und Ralf Wohlleben. Beide Neonazis tauchen auf der NSU-Unterstützerliste des BKA auf, Wohlleben ist der nach Beate Zschäpe wohl wichtigste Angeklagte im Münchner NSU-Prozess.

Vertrieben wurden die »Amok«-CDs von einem Christian M. Der gehört zu den von Thüringen gesuchten zehn Rechtsextremisten, deren Haftbefehle noch nicht vollstreckt werden konnten. M. fühlt sich in der Schweiz wohl - obwohl er dort verurteilt wurde, weil er gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verstoßen hatte.

Die Schweiz ist nicht nur interessant, weil sie Rückzugsraum für die NSU-Mörder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos war und von dort verschiedene Mordwerkzeuge des Trios kamen - vor allem die Ceska-Tatwaffe. Auch ein mehrmals verurteilter Rechtsextremist namens Sven R., der auch eine Nummer in der Organisierten Kriminalität ist, kann weitere Auskünfte geben. Er stillte ebenfalls seine Waffengier aus der Schweizer Quelle: eine Ceska, Maschinenpistolen, eine Pumpgun... Der V-Mann und Chef des Thüringer Heimatschutzes Tino Brandt bezeichnet R. als »extrem militanten Typen aus der Kameradschaft Saalfeld-Rudolstadt, der ganz sicher dem militanten Flügel angehörte«. Von R., so Indizien und Aussagen von »Kameraden«, führt vermutlich auch ein Weg zum NSU-Trio und seinen Nachfolgern.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal