Tragischer Tod auf der Straße

nd STECKBRIEF - Einer war’s (189)

  • Lesedauer: 3 Min.

Er war der zweite Sohn eines ungelernten Fuhrmanns, der als Kellermeister auf einem Weingut arbeitete. Einige Monate nach seiner Geburt begann der Erste Weltkrieg. Sein Vater wurde zur französischen Armee eingezogen und in der Schlacht an der Marne so schwer verwundet, dass er wenig später in einem Lazarett starb.

Daraufhin musste die Mutter, eine Spanierin, allein für die Familie sorgen. Sie arbeitete zunächst in einer Fabrik und später als Putzfrau, während der von uns Gesuchte unter der strengen Obhut seiner Großmutter stand. In seiner Freizeit las er gern Bücher aus der Stadtbibliothek; noch lieber aber spielte er mit anderen Kindern Fußball, wobei ihm zumeist die Rolle des Torwarts zufiel. Bis an sein Lebensende blieb er dieser Leidenschaft treu und bemerkte gelegentlich: »Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball.«

Auf Grund seiner guten schulischen Leistungen verschaffte ihm ein Lehrer ein Stipendium, so dass er das Gymnasium besuchen konnte. Dort erkrankte er an Tuberkulose und musste sich mehrere Monate in einem Sanatorium behandeln lassen. Anschließend legte er das Abitur ab und nahm an der Universität ein Philosophiestudium auf. Hier lernte er eine junge Frau kennen, die ihm so gut gefiel, dass er sie in einem seiner späteren Texte als »Fee« beschrieb. Beide verliebten sich ineinander und heirateten schließlich. Doch die Ehe hielt nicht lange. Bei einer gemeinsamen Reise betrog ihn seine Frau mehrmals, um an Drogen zu gelangen. Tief enttäuscht trennte er sich daraufhin von ihr und siedelte zu seinem Bruder über.

In der Zeit der sich formierenden Volksfront trat er in die Kommunistische Partei ein (aus der er allerdings schon ein Jahr später wieder ausgeschlossen wurde) und gründete mit anderen Linken das sogenannte Theater der Arbeit. Daneben verfasste er seine Diplomarbeit, die das Verhältnis von Hellenismus und Christentum zum Gegenstand hatte. Wegen seiner Tuberkuloseerkrankung wurde er jedoch nicht zum Staatsexamen zugelassen und konnte somit auch nicht als Gymnasiallehrer für Philosophie arbeiten. Seine zweite Frau, eine Mathematiklehrerin, unterstützte ihn gelegentlich finanziell.

Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich der Widerstandsbewegung an und machte als kritischer Journalist und Schriftsteller von sich reden. Außerdem beendete er einen philosophischen Essay, mit dem er in den Wirren der Nachkriegszeit große Bekanntheit erlangte. Denn darin beschreibt er nicht nur die Absurdität des menschlichen Daseins. Zugleich fordert er den Einzelnen auf, sein Leben in einer an sich sinnlosen Welt in freier Selbstbestimmung lebenswert zu gestalten. Gegen seinen Willen wurde er so zu einem der wichtigsten Vertreter einer neuen philosophischen Strömung, der sich vor allem junge Menschen begeistert zuwandten.

Aber auch seine Romane, Dramen und Erzählungen fanden weltweit viel Beachtung und brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen ein. Mit 43 Jahren erhielt er den Nobelpreis - »für seine bedeutende literarische Schöpfung, die mit klarsichtigem Ernst die Probleme des menschlichen Gewissens in unserer Zeit beleuchtet«. Mit dem Preisgeld erfüllte er sich einen Lebenstraum: Er kaufte sich ein Landhaus in der Provence, »der schönsten Gegend der Welt«, wie er einmal sagte.

Von dort wollte er nach einer Feier zum Jahreswechsel nach Paris reisen. Obwohl er sich für die Strecke bereits eine Bahnfahrkarte gekauft hatte, ließ sich von einem Freund überreden, in dessen Auto mitzufahren. Bei einer Geschwindigkeit von 150 Stundenkilometern platzte ein Hinterreifen des Wagens, der daraufhin auf nasser Straße ins Schleudern geriet und gegen einen Baum prallte. Während zwei der vier Insassen nahezu unverletzt blieben, war der von uns Gesuchte sofort tot. Er wurde 46 Jahre alt.

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