Mit Hubschrauber und SEK

400 Polizisten durchsuchen acht Wohnungen der linken Szene nach Anschlägen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Polizisten kamen im Morgengrauen. Gegen sechs Uhr riegelten Einsatzkräfte die Rigaer Straße in Friedrichshain ab. Zu Beginn des Einsatzes wurde auch ein Hubschrauber eingesetzt, ein Sondereinsatzkommando der Polizei stand ebenfalls bereit. Im Anschluss brachen die Beamten mit einem Trennschleifer die Tür zum alternativen Hausprojekt Rigaer Straße 94 auf, in dem auch das linke Lokal »Kadterschmiede« untergebracht ist. »Wir haben in der Rigaer Straße im vergangenen Jahr schlechte Erfahrungen gemacht, als wir bei einem Einsatz heftige Gegenwehr erfuhren«, begründete Polizeisprecher Stefan Redlich den massiven Einsatz. Doch außer ein bisschen lärmender Musik blieb es am Mittwochmorgen ruhig. »Der Einsatz verlief friedlich«, erklärte Polizeisprecher Redlich. Eine Räumung des Gebäudes sei nicht vorgesehen gewesen.

Berlinweit wurden aufgrund richterlicher Anordnungen am Mittwoch insgesamt acht Wohnungen in den Bezirken Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg von der Polizei durchsucht. Hintergrund für die Razzien gegen die linke Szene sind zwei laufende Verfahren der Staatsanwaltschaft: Zum einen wird gegen sieben Beschuldigte ermittelt, weil sie sich an einer Serie von Angriffen auf Jobcenter und die SPD-Landesgeschäftsstelle Anfang Mai beteiligt haben sollen.

Das zweite Ermittlungsverfahren richtet sich gegen einen Bewohner des Hausprojekts Rigaer Straße 94. Gegen ihn ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes. »Es gab einen Beschluss, dass meinem Mandaten die DNA abgenommen wird, danach konnte er wieder gehen«, sagte Anwalt Sven Richwin. Dem Verdächtigen wird vorgeworfen, sich Anfang Juni an einem Angriff von einer Gruppe aus 40 Vermummten auf Polizisten am Kottbusser Tor in Kreuzberg beteiligt zu haben, die zu diesem Zeitpunkt eine Drogenkontrolle durchführten. Dabei soll laut Polizei ein geworfener Brandsatz beinahe eine 27-jährige Polizistin getroffen haben, ein Zweiter traf einen Einsatzwagen der Polizei, der kurzzeitig in Flammen stand.

Im Internet hatte sich damals eine linksradikale Gruppe zu dem Angriff bekannt, mit der offenbar die »Aufständischen in der Türkei gegrüßt« werden sollten. Der Bewohner der Rigaer Straße 94 war damals unmittelbar nach dem Angriff in der Nähe des Kottbusser Tores von alarmierten Polizisten festgenommen, einen Tag später jedoch wieder entlassen worden.
Als Ergebnis der Durchsuchungen präsentierte die Polizei »unerlaubte Pyrotechnik«, Grillanzünder und angeblich vorgefertigte Brandflaschen. Kriminaltechniker sollen jetzt die beschlagnahmten Gegenstände auswerten. Dazu zählen auch Computer und Kisten mit Unterlagen. Festnahmen gab es keine.

Nach Augenzeugenberichten beschränkte sich die Polizei im Fall der Rigaer Straße 94 allerdings nicht nur auf die Durchsuchung der richterlich genehmigten zwei Wohnräume, sondern sie durchsuchte zudem auch die Gemeinschaftsräume und den Dachboden des alternativen Wohnprojektes. Dabei sollen die Beamten auch willkürlich Werkzeuge und Baugeräte mitgenommen haben.
In der linken Szene wurden die Durchsuchungen unterdessen kritisiert. Im Internet wurde noch für den Mittwochabend um 20 Uhr zu einer unangemeldeten Demonstration gegen Repression am Kreuzberger Spreewaldplatz aufgerufen. Der Polizei waren bis zum Redaktionsschluss dieser Seite keine Versammlungen bekannt.

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