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»Gradzeläds« im Saarland

Linkspartei startet auch ohne Oskar Lafontaine zuversichtlich in den Bundestagswahlkampf

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 3 Min.
Wahlkampf ohne Oskar Lafontaine ist für die Saar-LINKE eine neue und gewöhnungsbedürftige Erfahrung. Zu ihrem traditionellen Sommerfest lieferte stattdessen der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger die Wahlkampfargumentation - und eine Satiretruppe die passende Stimmung.

Karnevalsvereinen wird gemeinhin nachgesagt, in ihren eigenen Reihen gehe es alles andere als humorvoll zu. Auf der Bühne schütten sie Hohn und Spott über andere aus, intern kämpfen sie schon mal mit harten Bandagen. Dass sich eine Truppe gestandener Karnevalisten aus drei saarländischen Karnevalsvereinen zu einem gemeinsamen Polit-Satire-Auftritt bei den Saar-LINKEN auf den Wiesen am Burbacher Weiher zusammengerauft hat, könnte da manch einer symbolisch gesehen haben. Ihr gereimter Spott auf die politische Konkurrenz der LINKEN hat bei den gut 300 Parteimitgliedern und Gästen unter den schattigen Bäumen jedenfalls durchaus zur Wahlkampfbegeisterung beigetragen.

Den meisten steckten noch die beiden turbulenten Mitgliederversammlungen zur Wahl ihres Spitzenkandidaten in den Knochen. Das Bild der harmonisch vereinten Karnevalisten mag bei manchen die Hoffnung gestärkt haben, nach all dem internen Streit jetzt doch noch gemeinsam einen schlagkräftigen Wahlkampf stemmen zu können. Die Saarbrücker Kreisvorsitzende Astrid Schramm erntete jedenfalls kräftigen Applaus, als sie gleich zu Beginn als Losung ein saarländisches »Gradzeläds« ausrief, was auf Deutsch soviel wie »jetzt erst recht« bedeutet.

Spitzenkandidat Thomas Lutze versuchte seines dazu beizutragen, sprach vor allem die an, die vor wenigen Wochen nicht für ihn gestimmt hatten und jetzt trotzdem aktiv Wahlkampf machen: »Gerade bei denen möchte ich mich bedanken.« Oskar Lafontaine konnte damit nicht gemeint sein. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag zeigt seinem Landesverband in diesem Wahlkampf die kalte Schulter und hat stattdessen Termine in Nordrhein-Westfalen angenommen, wo seine Partnerin Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin antritt. Lafontaine gilt als vergnatzt; seine Favoritinnen für die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl, die frühere Tennisspielerin Claudia Kohde-Kilsch und dann im zweiten Gang auch Yvonne Ploetz, waren schließlich durchgefallen.

Riexinger ging in seiner Rede mit keinem Wort auf die Ereignisse im Landesverband ein, sagte aber später: »Es ist nie gut, wenn man sich streitet und wenn es insbesondere Personalstreitigkeiten gibt.« Ein guter Wahlkampf werde »manche Wunde heilen«.

Dass weder Lafontaine noch Yvonne Ploetz, Bundestagsabgeordnete und Direktkandidatin im Wahlkreis Homburg, mit den Genossen beim Sommerfest anstoßen wollten, war kein großes Gesprächsthema, auch wenn die Aufforderung der Satiretruppe, »dass wir ihn (Oskar) noch mal herrufen« mit zustimmendem Applaus bedacht wurde. Durch die Bank war Verständnis zu hören, dass »Oskar seine Lebensgefährtin unterstützt«. Im mit 17 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland NRW werde schließlich mit darüber entschieden, »ob wir sieben oder zehn Prozent kriegen«, meint Lutze.

»Wir müssen nichts kitten, 90 Prozent der Partei stehen hinter der Entscheidung«, beschreibt der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Kurt Hill die Stimmung, die er mit etwas Abstand zu den zurückliegenden turbulenten Wochen an der Basis der Partei wahrnimmt. Er hat erst Anfang August die Wahlkampfleitung übernommen. Der bisherige Wahlkampfleiter und Lafontaine-Vertraute Heinz Bierbaum hatte sein Amt niedergelegt, nachdem Lutze zum Spitzenkandidaten gewählt worden war.

Dass der quälende Prozess um die Aufstellung der Landesliste die Partei im Wahlkampf zurückgeworfen hat, sieht sein Nachfolger weniger: »Die haben eigentlich auf der Stelle getreten und gefragt: Wann geht es denn endlich los?«, sagt Hill und zeigt wie zum Beweis auf die voll besetzten Bänke. Auch Spitzenkandidat Thomas Lutze gibt sich zuversichtlich: »Dafür, dass wir nicht besonders gut gestartet sind, läuft der Wahlkampf jetzt ausgezeichnet.« Aus seiner Sicht spielt die Partei »in derselben Liga wie bei der letzten Bundestagswahl«. Damals hatte die Saar-LINKE zwei Mandate für Berlin erringen können. Lutze versucht es mit einem Scherz: Für »100 Prozent sozial« kämpft die LINKE. »Die 100 Prozent werden wir nicht ganz schaffen. Aber ein gutes Ergebnis kriegen wir.«

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