Sachsenhausen gab Gas mit der Rückennummer 18

Sportverein steht wegen offenbar rechtsextremer Anspielungen in der Kritik

Die Polizei ermittelt weiter gegen möglicherweise rechtsextremistische Anhänger des Sportsvereins TuS 1896 Sachsenhausen. Die Befragung der Zeugen nehme noch einige Zeit in Anspruch, sagte am Donnerstag Polizeisprecherin Ulrike Glanz. Auslöser der Ermittlungen ist ein im Frühjahr gezeigtes Transparent mit der Aufschrift »Gas geben Sachsenhausen«.

Doch damit nicht genug. In einer Lokalzeitung war jetzt ein Foto der dritten Mannschaft abgebildet. Die Spieler posieren in braunen Trikots, und einer von ihnen hält das Trikot mit der Rückennummer 18 in die Kamera.

»Die Zurschaustellung rechtsextremer Parolen durch einige Spieler ist empörend und stellt eine Verhöhnung der Opfer des nationalsozialistischen Terrors im KZ Sachsenhausen dar«, reagierte Tim Tolsdorff, Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Die Rückennummer sei ein klarer Hinweis auf die Initialen von Adolf Hitler. Das A ist der erste Buchstabe des Alphabets und das H der achte. Die Zahl 18 gilt deshalb in der Neonaziszene als Code für den Diktator. »Wir erwarten, dass sich die Vereinsspitze nicht länger an der Nase herumführen lässt und endlich konsequent handelt«, sagte Stiftungssprecher Tim Tolsdorff. Die Stiftung sei enttäuscht, da man dem Vereinsvorstand großes Vertrauen entgegengebracht habe.

Der Vereinsvorstand wollte am Donnerstagabend beraten und anschließend mit den Spielern der dritten Herrenmannschaft sprechen. »Wir überlegen, ob wir die dritte Mannschaft abmelden und aus dem Spielbetrieb nehmen«, hat der Vereinsvorsitzende Harry Doede vorher gesagt. Er hat hinzugefügt: »Ich möchte betonen, dass TuS Sachsenhausen gegen Extremismus jeglicher Art ist.« Ausgerechnet am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, war das Transparent mit der Aufforderung »Gas geben Sachsenhausen« aufgetaucht - im Stadion in Oranienburg, wo sich das Konzentrationslager Sachsenhausen befand und wo sich heute eine Gedenkstätte befindet. Im KZ gab es auch eine Gaskammer, in der die SS Hunderte Menschen ermordete. Hier also dieses Transparent bei einem Fußballpokalspiel des TuS 1896 Sachsenhausen gegen den SV Babelsberg 03. Verantwortlich für diese Ungeheuerlichkeit sollen rechtsextrem eingestellte Spieler der dritten Mannschaft des TuS Sachsenhausen gewesen sein, Amateursportler, die zugleich als Fans die erste Mannschaft bei dieser Begegnung anfeuerten - es war das Viertelfinale des Landespokals.

Das Foto, das jetzt im Sportteil einer Tageszeitung erschien, soll fast zwei Jahre alt sein. Ein Abwehrspieler präsentiert darauf das Trikot mit der Nummer 18. Er hat es dem Vernehmen nach nicht nur jahrelang selbst im Spiel getragen, sondern er war als Unternehmer zugleich Sponsor des braunen Trikotsatzes für die dritte Mannschaft. Außerdem wird ihm eine rechtsextreme Gesinnung nachgesagt. Dieser Abwehrspieler wurde allerdings schon vor längerer Zeit aus der Mannschaft herausgenommen. Er sei auch kein Vereinsmitglied mehr, heißt es. Hintergrund sei aber nicht die damals noch gar nicht erkannte politische Einstellung gewesen. Da sei es um Rückstände bei den Beiträgen gegangen. Rätselhaft bleibt, warum der Trainer der dritten Mannschaft nach dem Ärger mit dem »Gas geben«-Transparent ausgerechnet das veraltete Foto mit der Rückennummer 18 an die Presse weitergegeben hat. Denn die braunen Trikots werden von der dritten Mannschaft bei ihren Spielen in der zweiten Kreisklasse gar nicht mehr getragen.

Dass sie Gas geben sollen, sagen Fußballtrainer in der Halbzeitpause oft zu ihren Spielern. Daran können Verantwortliche beim TuS Sachsenhausen im Prinzip nichts finden. Aber sie sehen ein, dass »Gas geben« im Zusammenhang mit Sachsenhausen doch nicht geht. Bewusst ist dem Vorstand offenbar auch, dass das Foto mit der 18 nach dem Vorfall mit dem Transparent nicht mehr in die Zeitung gedurft hätte.

»Gas geben«, so lautete auch eine Parole der neofaschistischen NPD zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011. Das Plakat zeigte den damaligen NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt in Lederklamotten am Lenker eines Motorrads. Das wurde als Provokation, als Anspielung auf die Gaskammern in den faschistischen Vernichtungslagern verstanden.

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