Der Schatz der Krankenkassen

Die Milliardenüberschüsse wecken verschiedenste Begehrlichkeiten

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Krankenkassen erwirtschaften derzeit Überschüsse. Was mit dem Geld passieren soll, darüber wird noch gestritten.

Überschüsse wecken Begehrlichkeiten. Voraussichtlich kurz nach Karneval dürfte deshalb der Kampf um den »Schatz« der gesetzlichen Krankenkassen beginnen. Er verdankt seine Existenz der guten Konjunktur. 30 Milliarden Euro Rücklagen haben die 134 Kassen samt ihrem Einheitsfonds seit 2011 gebildet - rund 500 Euro pro Versichertem. Zwar zeichnen sich in den Halbjahresbilanzen erste Bremsspuren beim rasanten Anstieg des Überschusses ab. So fehlen etwa durch die Abschaffung der Praxisgebühr Einnahmen - doch noch immer wirtschaften die Kassen in den schwarzen Zahlen.

Was soll mit dem Geld der Beitragszahler geschehen? Der Streit geht quer durch die Reihen der Kassenverwaltungen und dürfte sich verschärfen, wenn Anfang 2014 die neue Regierung und auch die Bilanzen der Kassen für 2013 stehen. Fünf alternative Verwendungen bieten sich an: So könnten das Leistungsangebot verbessert und der Service ausgeweitet werden. Allerdings sind neun Zehntel der Leistungen gesetzlich verplant. Eine zweite Möglichkeit wäre es, die Rücklagen weiter aufzustocken, um für härtere Zeiten gewappnet zu sein. Alternative Nummer drei würde die Versicherten freuen: eine Rückerstattung. Auch eine Senkung des auf 15,5 Prozent zwangsvereinheitlichten Beitragssatzes wäre denkbar. Zuguterletzt könnte der Bund seinen Zuschuss an die Kassen zur Abgeltung versicherungsfremder Leistungen senken.

Auf mehr Leistungen setzt der Marktführer Barmer GEK mit seinen 8,7 Millionen Versicherten. »Anders als andere Kassen« wolle man nicht auf die langfristige Rückenstärkung setzen, heißt es im Geschäftsbericht 2012, sondern das Leistungsspektrum erweitern. Zum Beispiel mit dem integrierten Versorgungsprogramm »pro Rücken« oder dem »mit 150 Euro zur individuellen Vorbeugungsverwendung« ausgestatteten »Gesundheitskonto des Versicherten«.

In Hamburg, wo die zweitgrößte Kasse DAK Gesundheit sitzt, steckt man dagegen alles in Rücklagen: Die Übernahmen etlicher kleiner und einer großen Betriebskrankenkasse lassen keine Energie mehr für neue Programme zu. Hat die Barmer gut eine Milliarde Reserven, kommt die DAK etwa auf die Hälfte. Sie verweist jedoch darauf, dass man in der Vergangenheit kräftig Boni für aktives Vorbeugen ausgezahlt habe.

Die Parteien haben das Thema nur indirekt auf der Agenda, indem sie zum Beispiel eine durch die Kassen organisierte verbesserte Versorgung fordern. Nur die CDU wirbt für ein »Geld-zurück-Modell«: Wer mindestens ein Jahr lang Kosten gedämpft und Ärzte gemieden hat, soll einen Teil der gezahlten Beiträge zurückerhalten.

Die Barmer fühlt sich indes bestätigt durch eine Infratest-Umfrage: Danach sind je rund 42 Prozent der Befragten für Leistungsausweitung und höhere Rücklagen; nur 16 Prozent sprechen sich für den »Schadenfreiheitsrabatt« aus. Bislang bieten 19 Kassen Prämienrückzahlungen zwischen 30 und 120 Euro an.

Die Befürworter der ausgebauten Reserve haben ebenfalls ihren Kronzeugen: Den Kassen fehlten ohne neue Geldquellen nach Berechnung des Kieler Ökonomen Thomas Drabinski bis 2060 rund 1128 Milliarden Euro. Der Leiter des Instituts für Mikrodaten-Analyse begründet das damit, dass es im Verhältnis zu den Kranken und Pflegebedürftigen immer weniger Beitragszahler gebe. Nötig sei ein Polster von rund 14 Milliarden Euro pro Jahr, so der Forscher.

Wenn sich die Konjunktur abkühlt, dürften auch die Lohnnebenkosten wieder zum Thema werden. Schon lauert die FDP darauf, die angeblich leidenden Unternehmer in Schutz zu nehmen - durch Senkung der Krankenkassenbeiträge. Vor zwei Jahren waren die Fronten umgekehrt: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte die Rücknahme des Beitragsaufschlags, während Schwarz-Gelb eisern daran festhielt. Über den Aufruf zum privaten Vorsorgen und über den nicht mehr paritätisch finanzierten Einheitsfonds wird der Arbeitgeber in Alters- und Gesundheitsvorsorge aus der Mitverantwortung genommen. Die Zukunft der Gesetzlichen Krankenversicherung hängt also wesentlich davon ab, ob in Zukunft die Parität wieder erreicht wird.

Foto: Fotolia/Moon

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