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EU hilflos am Nil?

Franziska Brantner über die Ägypten-Politik der EU

  • Franziska Brantner
  • Lesedauer: 3 Min.

Über 1000 Tote in einer Woche, unzählige politische Gefangene, Notstand und brennende Kirchen in Ägypten. Die EU hatte sich bemüht, zwischen den Lagern zu vermitteln, vor einer gewaltsamen Räumung der Plätze gewarnt, doch wurde sie letztlich vom ägyptischen Regime vorgeführt. Nach ihrer Verurteilung der Gewalt und Ankündigung möglicher Konsequenzen wird die Europäische Union in ägyptischen Medien als Unterstützerin der »Terroristen« verunglimpft.

Zu diesem Zerrbild trägt bei, dass Präsident Mursi mit Samthandschuhen angefasst wurde, die Staatengemeinschaft war zu wohlgefällig mit ihm gewesen. Noch im Mai dieses Jahres war dem ägyptischen Regime kommuniziert worden, demnächst 90 Millionen Euro als Anerkennung der Reform- und Demokratiebemühungen Kairos in diesem Jahr zu überweisen! Dies hatte nicht nur den im Zuge der Umbrüche des Arabischen Frühlings verkündeten Politikansatz des »more-for-more« konterkariert, sondern belastete auch das Ansehen der EU bei der zivilgesellschaftlichen Opposition Mursis. Außerdem muss die EU jetzt auch die Gewalt aus Teilen der Muslimbrüder klar verurteilen und auf einen Gewaltverzicht pochen. Die EU sollte auf Einhaltung eines demokratischen und inklusiven Prozesses sowie der Menschenrechte bestehen - und sich nicht auf die eine oder andere Seite stellen.

Wahrscheinlich hätten die Vermittlungsbemühungen schon vor Mursis Sturz intensiviert werden müssen. Außerdem brauchen wir endlich einen Vermittlungsprozess im Rahmen der Vereinten Nationen, eine enge Koordination mit der internationalen Gemeinschaft und wichtigen regionalen Akteuren. Katar ist der Financier der Muslimbruderschaft und muss genau wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate in die Pflicht genommen werden, ihren Beitrag zum ägyptischen Frieden zu leisten. Mit einem Einbeziehen Russlands und Chinas hätte man auch der gegenwärtigen, extremen Propaganda gegen den Westen den Wind aus den Segeln nehmen können. Daher müssen nun die Vereinten Nationen aufgerufen werden, die Führung in der Vermittlung zu übernehmen und eine Friedenskonferenz zu organisieren. Die EU allein - selbst im Verbund mit den USA - ist nicht in der Lage, den entscheidenden Einfluss auf die Konfliktparteien auszuüben.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Union zumindest ihre Glaubwürdigkeit wahrt: Das Ignorieren europäischer Warnungen vor einer gewaltsamen Auflösung der Protestlager konnte nicht folgenlos bleiben. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die EU ihre Waffenlieferungen nach Ägypten einstellen will - diese hätte es gar nicht erst geben dürfen.

Eine andere direkte Reaktion der EU sollte ein sehr differenziertes Einfrieren von Finanzhilfen sein. Deutschlands unilaterale Streichung der Umwelt- und Klimaschutzhilfen durch Entwicklungsminister Dirk Niebel ist ein Beispiel, wie man es nicht machen darf. Das ist wahrscheinlich eine der Hilfen, die die Militärchefs am wenigsten interessiert, die aber der Bevölkerung hilft. Die Förderung der Zivilgesellschaft und Bevölkerung sollte beibehalten werden, während man diejenigen Mittel streichen muss, von denen das Militär profitiert. Man könnte auch die Vermögen der militärischen Führung im europäischen Ausland einfrieren.

Die EU-Mitgliedsstaaten haben die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bereits beauftragt, die EU-Hilfen auf den Prüfstand zu stellen. Diesen Worten müssen nun zügig Taten folgen. Bei allem Tadel gegenüber dem Regime muss aber immer auch klargemacht werden: Die EU steht der ägyptischen Bevölkerung bei. Und unterstützt sie und ihre weiterhin unerfüllten Forderungen der Revolution vom 25. Januar 2011.

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