Das Geld soll regieren

Der Hamburger SV steckt nach dem 0:1 bei Hertha BSC noch tiefer in der Krise - im Hintergrund formiert sich solventer Widerstand

Der Hamburger SV ist mit dem Ziel in die Saison gestartet, einen Europapokalplatz zu erreichen. Nach drei Spieltagen hat der HSV einen Punkt auf dem Konto und sieht schon eine Niederlage bei Hertha BSC als Erfolg.

In Hamburg spielen sich dieser Tage zwei Personen so perfekt die Bälle zu, wie man es den Fußballern des HSV nur wünschen könnte. Dabei haben weder Felix Magath noch Hans-Michael Kühne direkt gerade etwas mit dem Erstligisten zu tun. Jedenfalls findet der derzeit beschäftigungslose Magath, dass nur »Herr Kühne den HSV retten kann«. Und Kühne, der sich jüngst als HSV-Investor bis auf weiteres zurückgezogen hat, findet, dass gleich alle Klubverantwortlichen gehen sollten, um Platz für Magath zu machen.

Solch einstudierte Ballstafetten machen es jedem Gegner schwer. Wenn dann auch noch Klubikonen wie Horst Hrubesch (»Die ganze Struktur beim HSV stimmt nicht«), Manfred Kaltz (»Ich kann kein System erkennen«) oder Ditmar Jakobs (»Baustellen auf dem ganzen Platz«) mitspielen, kann sich einer wie Oliver Kreuzer nur ganz höflich in die Defensive zurückziehen. »Wenn solche Koryphäen so etwas sagen, ist das in Ordnung. Die haben Ahnung und kennen sich im Fußball aus«, sagte Kreuzer gegenüber »nd«. Nach knapp drei Monaten als Hamburger Sportdirektor stellt der 47-Jährige fest: »Der Wind bläst hier etwas stärker.«

Ganz treffend beschreibt die Situation in der Hansestadt, dass ausgerechnet eine Niederlage dafür gesorgt hat, dass aus dem Wind noch kein Sturm geworden ist. Nach dem 0:1 (0:0) am Sonnabend gegen Hertha BSC vor 63 500 Zuschauern im Berliner Olympiastadion waren alle Hamburger heilfroh, nur einen Gegentreffer bekommen zu haben. Herthas Stürmer Adrian Ramos hatte in der 74. Minute keine Mühe, eine schöne Kombination über Änis Ben-Hatira und Nico Schulz aus Nahdistanz mit dem Siegtreffer zu vollenden.

Kreuzer wollte nach dem erschreckend schwachen Auftritt erkannt haben, dass »die Mannschaft funktioniert«. Sie habe »Charakter und Mentalität« gezeigt. Auch Trainer Thorsten Fink war »mit dem Spiel zufrieden«. So etwas kann einem wohl nur in den Sinn kommen, wenn man eine Woche zuvor im eigenen Stadion mit 1:5 gegen Hoffenheim untergegangen ist.

Ebenso besorgniserregend war die Reaktion von Führungsspielern wie Heiko Westermann. »Wir waren in der 2. Halbzeit klar die bessere Mannschaft«, gab sich der Verteidiger nach dem Spiel kämpferischer als auf dem Platz. Gleich fünf hochkarätige Chancen wollte er für den HSV gesehen haben. Objektive Beobachter konnten allein die beiden Möglichkeiten von Stürmer Artjoms Rudnevs (8. Minute/58.) notieren.

»Wir wollten die Null halten«, konterte Westermann den Vorwurf, zu defensiv aufgetreten zu sein. Das war den Hamburgern trotz einiger Berliner Chancen lange Zeit gelungen. Doch spätestens Ronny, der nach gut einer Stunde für Hertha BSC das Feld betreten hatte, entlarvte die Anfälligkeit der HSV-Abwehr. Ein paar feine Pässe des Brasilianers reichten aus, um die als Bollwerk angetretene Hamburger Defensive in ein wildes Durcheinander zu stürzen. Die Offensive des HSV trat hingegen über die komplette Spielzeit planlos auf. Gegen Hertha BSC, ein Aufsteiger, der sich an diesem Tag ebenfalls schwer getan hatte, fand der HSV nie ein spielerisches Mittel.

Hans-Michael Kühne wüsste Rat, weiß zumindest Felix Magath. Ohne Geld werde der HSV nicht auf die Füße kommen, spielte der 83er-Europapokalsieger des HSV einen zwar durchschaubaren aber auch durchschlagkräftigen Pass auf Kühne. Der ist solvent, will den Klub aber erst wieder unterstützen, wenn sich dort etwas nach seinen Vorstellungen geändert hat. Das Zusammenspiel funktioniert blind: »Wer das Geld bringt, soll auch das Sagen haben«, so Magath.

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