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Armenien blickt wieder nach Moskau

Zollunion erhält Vorzug vor Abkommen mit EU

  • Franz Altmann, Jerewan
  • Lesedauer: 2 Min.
Armenien ist willens, einer von Russland geführten Zollunion beizutreten, hieß es in Jerewan nach dem jüngsten Treffen des armenischen Präsidenten Sersch Sargsian mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin in Moskau.

In Jerewan löste diese Ankündigung große Aufregung aus. Westlich orientierte Politiker und Analytiker, mehrheitlich Gegner der Regierung Sargsians, sprachen von einer »überraschenden Kehrtwende«. Putin habe Sargsian bei dem Treffen am 3. September »erpresst«. Ähnlich äußerte sich die armenische Lobbygruppe in Brüssel »Europäische Freunde Armeniens«. Die EU selbst zeigte sich überrascht und erwartete Erklärungen. Prorussische Politiker und Medien verwiesen dagegen auf die Sicherheitsinteressen Armeniens und der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach. Sie würden allein durch Russland garantiert.

Armenien und die EU hatten in den vergangenen vier Jahren auf ein umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA) hingearbeitet, das mit politischen und wirtschaftlichen Reformen einhergehen und Armenien eine »europäische Perspektive« eröffnen sollte. Die EU hatte immer wieder betont, dass eine Zollunion mit Russland nicht mit einem solchen Abkommen vereinbar sei. Eine Vereinbarung über weitere Schritte sollte im November beim EU-Gipfel der »Östlichen Partnerschaft« in Vilnius unterschrieben werden.

Der Sprecher des Präsidialamtes, Vigen Sargsian, bemühte sich, die Wogen zu glätten. Armenien strebe auch künftig ein Assoziierungsabkommen mit der EU an, wie es andere nichteuropäische Staaten haben. Oppositionelle Medien kritisierten indessen, die Entscheidung stärke das korrupte Oligarchensystem. Politiker der Opposition forderten ein Referendum. Mehrheitlich junge Leute aus der oberen Mittelschicht protestierten vor dem Präsidentenpalast. Neun Personen wurden festgenommen.

Regierungsfreundliche Medien betonten, dass das Abkommen mit der EU mittelfristig für Armenien kaum wirtschaftliche Vorteile gebracht hätte. Die Mehrheit der Arbeitsmigranten, über 50 000 Menschen pro Jahr, gehe nach Russland. Russland sei auch der Hauptmarkt für armenische Produkte. Dagegen hätten nur wenige eiheimische Erzeugnisse Chancen, sich auf dem EU-Markt zu behaupten.

Die Zeitung »Golos Armenii« brachte die für Armenien wichtigen wirtschaftlichen Verbindungen zu Iran ins Spiel. In der Tat ist die iranfeindliche Politik des Westens ein ernstes wirtschaftliches Problem für Armenien. Die regierungsfreundliche Zeitung »Nowoje Wremja« vermutete, dass Jerewan weiterhin einen Spagat versuche. Es könne nicht heißen: entweder Europa oder Russland. Armenien folge dem politischen Kurs: »Sowohl Europa als auch Russland«.

nd-Karte: W. Wegener

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