Testlauf für die Realität

Auf Gespräch folgt Debatte: Arbeitsgruppen lösen das »Forum Stadtspree« ab

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Jahrhundertprojekt? Nein, diese Aussage schränkt Hans Panhoff (Grüne) gleich selbst wieder ein. »Aber vielleicht ein Jahrzehnteprojekt«, fügt der Bezirksstadtrat für Planen, Bauen, Umwelt und Immobilien im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hinzu. Dabei meint er nur einen Uferweg, allerdings in einem »wichtigen Signalgebiet«, wie Volker Hassemer, ehemaliger Senator für Stadtentwicklung, das Spreeufer zwischen Oberbaum- und Jannowitzbrücke etikettiert. Früher »Mediaspree«, heute »Obere Stadtspree«, einen »Raum von besonderer Bedeutung für die Berliner« hatte diesen zuvor schon sein derzeit amtierender Nachfolger Michael Müller (SPD) bei der Vorstellung der Ergebnisse des »Forum Stadtspree« im Radialsystem V genannt. Am Flussufer ist die Frage nach einem freien und durchgehenden Zugang zur Spree in der Innenstadt für alle Bürger nur einer von vielen Konflikten.

Anwohnerinitiativen, Investoren, Clubbetreiber und die Berliner Verwaltung hatten sich im letzten halben Jahr zu drei Gesprächsrunden getroffen. Diese Plattform wurde unter anderen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg sowie der Stiftung Zukunft Berlin initiiert, um »auf Augenhöhe miteinander, nicht übereinander zu reden«, wie Michael Müller zusammenfasst. Das lässt sich auch als Ergebnis des nun beendeten Forums festhalten: Man redet miteinander. Investoren, die Eigentumswohnungen bauen wollen reden mit Clubbetreibern, die Lärmschutzklagen fürchten. Verwaltungen sprechen mit Grundstückseignern, wie sich das preistreibende Verkaufsargument »exklusiver Spreeblick« mit einem für alle frei zugänglichen Spreeufer vereinbaren lässt.

Am Ende des Forums steht ein Leitbild für die weitere Zusammenarbeit, das jedes denkbare Interesse bedient, aber darüber hinaus nichts Konkretes beinhaltet: Unterschiedliche Nutzungen des Areals sollen möglich bleiben; Gespräche zwischen Bürgern, Verwaltungen und Investoren auf Augenhöhe stattfinden, niemand soll mit Vorrechten in Verhandlungen gehen, die Entwicklung des Areals natürlich ökologisch nachhaltig erfolgen.

Konkret streiten will man ab jetzt in drei Arbeitsgruppen zu den Themen Lärmbelastung, öffentlichen Zugang zum Ufer sowie zur Spree; in weiteren sechs AGs sollen lokale Probleme besprochen werden, vom Holzmarkt bis zur Bebauung an der Eastside-Gallery. Ob die Verhandlungen in diesen Gruppen in eben so gutem Gesprächsklima erfolgen, wie es für das Forum immer wieder hervorgehoben wird, ist fraglich. Das Forum Stadtspree sollte »in keiner Weise an die Stelle förmlicher Verfahren treten. Es war auf Erkenntnisse und Verabredungen angelegt, nicht auf Beschlüsse«, heißt es in einer abschließenden Erklärung. »Das Forum war ein Trainingslauf für die Wirklichkeit«, so Volker Hassemer

An dieser hat das Forum Stadtspree nichts geändert. »Entscheidungsträger bleiben Entscheidungsträger«, steckte Senator Müller vor Beginn des Forums zu Beginn dieses Jahres die Möglichkeiten dessen Möglichkeiten ab. Investoren und Verwaltung lassen sich vermutlich die Entscheidungsgewalt nicht aus der Hand nehmen, auch wenn Hans Panhoff andeutet, das zum Beispiel das Thema Lärm auch rechtlich neu verhandelt werden kann.

Robert Muschinski von der Initiative »Mediaspree versenken!« bewertet das Forum im Nachhinein kritisch: »Für uns stellt es sich so dar, dass Senat und Bezirk sich mit privaten Investoren verständigen, nur private Interessen gegeneinander abgewogen werden. Ich habe den Eindruck, das wir mehr oder weniger als Feigenblatt eingeladen worden sind.« Und fügt hinzu: »Jetzt wird wieder über einen Uferweg gesprochen, das war schon Ende der Neunziger in der Planung. Was ist daran jetzt der große Wurf?«

»Wir sind am Anfang eines Prozesses«, hatte Jochen Sandig vom Radialsystem, einer der Initiatoren des Forums zuvor erklärt. Der steht jetzt vor dem Wirklichkeitscheck, wenn reale Beschlüsse anstehen.

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