Das Vermächtnis von Holmegaard

Bogenbauen ist eine komplizierte Sache - Besuch bei einem der letzten Experten in Bayern

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Bogenbauer gibt es kaum noch in Deutschland, das alte Handwerk ist fast verschwunden. In der Werkstatt von Roland Bauer in Bayern wird es aber noch gepflegt, der Bogenbauer gibt sein Wissen auch in Wochenend-Kursen weiter.

Sie liegen da in Reih und Glied: Zwei lange Eibenhölzer und eines aus Holunder. Noch sind es nicht einmal Rohlinge, sondern ähneln zurechtgeschnitten, etwas dickeren Latten. Und sie lassen noch kaum erahnen, was Roland Bauer aus ihnen formen wird, herausschälen wird mit Abzieheisen und Hobel. Und immer wieder schmirgeln und polieren. Bis sie dann fertig in einem Schaukasten in der Ecke aufbewahrt werden: schlanke Langbögen aus Holz, der Griff in der Mitte mit Leder ummantelt, die Spitzen mit Horn versehen, aus einem Stück gefertigt oder aus mehreren Lagen geleimt - elegante Erinnerungen an eine Zeit, bevor es Carbonfasern gab. »Retro ist in«, sagt Bogenbauer Bauer, »und mir macht diese handwerkliche, sinnliche Arbeit Spaß.«

Eine Werkstatt im Gewerbegebiet von Feldkirchen-Westerham im oberbayerischen Landkreis Rosenheim. In einer Ecke des Betriebshofes befindet sich eine große Rolle Stroh. Wir stehen im rechten Winkel zum Strohballen. »Den Bogen dort umfassen, wo er sich im Gleichgewicht befindet«, gibt der gebürtige Passauer die Anweisung. Also in der Mitte. Dann den Pfeil auflegen, zwei der Federn nach unten. Den Kopf nach links in Richtung Ziel wenden, den Bogen aufnehmen, die Sehne spannen. Weit spannen, bis zum Kinn, mit der Kraft aus dem Arm heraus. Dabei mit den drei mittleren Fingern zufassen, der Pfeil liegt lose auf dem anderen Handballen. Halten, schließlich loslassen. Schneller als das Auge folgen kann, steckt der Pfeil im Stroh. Er hätte auch das Blech einer Autotür durchschlagen. 20 Meter ist die Distanz, in der man das Ziel ziemlich wahrscheinlich trifft.

Eiben aus der Schweiz

Es ist schon ein paar Jahre her, dass Roland Bauer das Buch »Die Bibel des traditionellen Bogenbauens« in die Hand bekam. Seit zehn Jahren jedenfalls baut der heute 43-jährige professionell Langbögen in seiner »Bogenmanufaktur«, verkauft sie an die Kundschaft und hält auch Wochenend-Kurse ab. »Mich fasziniert dieses alte, ausgestorbene Handwerk, das man auch immer wieder neu erfinden muss«, sagt Bauer. Manchmal sagt er auch, das sei eine Art »postmoderne Spielerei« für ihn. Solche sprachlich-akademische Anwandlungen schiebt er dann auf sein Kunststudium in Köln, wo er Fotografie und Dokumentarfilm lernte.

Die Eibe ist sozusagen das Königsholz für die Bogenbauer, das Splintholz (das am Stamm außen liegende Holz) gibt ihm die Festigkeit, die Kraft und die Beschleunigung entstammt dem Kernholz. Da Eiben in Deutschland unter Naturschutz stehen, fährt Bauer in die Schweiz, um sich mit dieser Holzart einzudecken. Dort ist das Schlagen des Baumes nicht verboten, sagt er.

Der fertige Eiben-Bogen selbst ist für 700 Euro zu haben. Generell gilt: Das Holz muss ausreichend gelagert werden, damit es sich später nicht mehr verformt. So bewahrt der Bogenbauer auch diverse Holzarten in seiner Werkstatt auf, von selbst geschnittenen Baumstämmen bis hin zu den zugekauften Holzlatten für die Bögen in Sandwichform.

Das Tüfteln und die Beschäftigung mit historischen Vorbildern ist eine Vorliebe des Bogenbauers aus Westerham. Er nimmt einen Rohling zur Hand, breit und flach am Griffstück, dann zu den Nocken (Bogenenden) hin schlanker werdend. »Das ist hier ist ein Nachbau des Holmegaard-Bogens«, erläutert Bauer. Das Original ist wohl an die 9000 Jahre alt und wurde 1943 in einem Moor in Dänemark gefunden. Es gilt aufgrund seiner Machart als ein sehr leistungsfähiger Bogen.

Schüler von der Nordsee

Wie aus den Baumstämmen schließlich die elegant geschwungenen Langbögen entstehen, dies ist keine Geheimwissenschaft, meint Bauer. Er jedenfalls gibt sein handwerkliches Wissen weiter. 250 Euro kostet bei ihm ein Wochenend-Kurs. Und den so entstandenen Bogen kann man natürlich mit nach Hause nehmen.

Bleibt die Frage, was sind das denn für Leute, die sich für dieses Hobby interessieren? »Ganz normale Menschen«, sagt Roland Bauer. Bei den vergangenen Kursen kamen sie sogar aus Berlin, Hamburg und Bremen. Freilich, es handelt sich fast ausschließlich um Männer. Und die meisten kennen sich bereits aus, im Umgang mit Pfeil und Bogen.

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