Aufklären oder vertuschen

Brian Cookson fordert bei der Präsidentenwahl des Radsportweltverbands Pat McQuaid heraus

  • Tom Mustroph, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Brian Cookson will als neuer Präsident beim Radsportweltverband UCI aufräumen und vor allem das Dopingvertuschungsproblem lösen. Amtsinhaber Pat McQuaid will so weitermachen wie bisher und verkauft seine achtjährige Bilanz als Erfolg.

Optimistisch sind beide Kandidaten vor dem Kongress des Radsportweltverbandes UCI am Freitag im Palazzo Vecchio in Florenz. »Es gab in den letzten Wochen eine starke Bewegung zu meinen Gunsten. Ich rechne mit einem Ergebnis hoch in den 20ern«, sagt Herausforderer Brian Cookson. Der Engländer kann bei der Präsidentenwahl der UCI auf die Mehrzahl der Stimmen aus Europa (14) und Ozeanien (3) zählen, muss aber auf anderen Kontinenten noch punkten. Bei 22 von 42 Stimmen liegt die Mehrheit.

»Ich habe Unterstützung aus allen Kontinenten und denke, dass ich weitere vier Jahre lang meine Arbeit fortsetzen kann«, behauptet Amtsinhaber Pat McQuaid. Seine Bastion liegt in Asien (9 Stimmen) und Afrika (7). Dort steckte die UCI in den vergangenen Jahren viel Arbeit in den Aufbau einer Radsportinfrastruktur. Die Lieblingskinder des Iren waren Profirennen in China und Malaysia, wo er selbst sogar als Renndirektor agierte und manche europäische und amerikanische Teams zum Start dort nötigte. Jonathan Vaughters, Chef des Garmin-Rennstalls, veröffentlichte eine Telefonnachricht von McQuaids Vorgänger und sportpolitischem Ziehvater Hein Verbruggen, in dem der sich bitter über einen drohenden Boykott der Tour of China durch einige Teams beklagte und Vaughters massiv bedrohte. »Wenn das wahr ist, dann sind wir beide miteinander fertig. Ich habe schwer gearbeitet, um diese Sache ins Laufen zu bringen. Wenn du mir das antust, dann ruf mich nie wieder an«, hinterließ das einflussreiche IOC-Ehrenmitglied auf Vaughters’ Anrufbeantworter.

Dieser selbstherrliche Führungsstil, den McQuaid fortsetzte, erregte Widerwillen bei Europäern und Nordamerikanern. Hinzu kam die Verärgerung über die Vertuschung von Dopingfällen. Ein Dossier, das der russische Radsportfunktionär und Financier des Katusha-Teams Igor Makarow zusammenstellte, bezichtigt den Iren, die Aufklärung der Dopingfälle Lance Armstrongs und Alberto Contadors behindert zu haben.

Cookson verspricht in seinem Wahlkampf die »gründliche Aufklärung aller Vorwürfe aus der Vergangenheit«. Es solle »keinen Platz zum Verstecken« geben, sagte der aktuelle Präsident des britischen Radsportverbandes. Dass es Cookson ernst sein dürfte mit der Aufklärung, belegt eine Bemerkung von Travis Tygart, Chef der US-amerikanischen Antidoping-Agentur. »Cookson war das einzige hochrangige UCI-Mitglied, das während der Ermittlung gegen Armstrong bei uns angerufen und Unterstützung angeboten hat«, meinte Tygart. Glaubwürdig wird Cookson allerdings erst, wenn sein Aufklärungswille auch Dopingpraktiken im Team seines Verbündeten Igor Makarov einschließt. Katusha-Profis wurden im Jahre 2011 von der italienischen Polizei der fortgesetzten Zusammenarbeit mit dem Dopingarzt Michele Ferrari beschuldigt.

Zünglein an der Waage bei der Wahl im früheren Herrschaftssitz der Medici sind die neun Stimmen aus Amerika. Während der Norden Cookson die Unterstützung zusicherte, zählen einige Verbände aus Südamerika zum McQuaid-Lager. Barbados etwa hat - wie auch Litauen, Malaysia und die Türkei - Änderungsanträge für die UCI-Regularien eingebracht, die McQuaid überhaupt erst eine Kandidatur ermöglichen. Von seinem irischen Heimverband wie auch vom Schweizer Verband - dort wohnt der UCI-Präsident - war er gar nicht nominiert worden. Nur über die Hintertür der Satzungsänderung ist er überhaupt wählbar. Gelingt ihm dies, dann hätte erneut die alte Tricksermentalität gesiegt.

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