Schlammschlacht an der Waterkant

Steuerdeal von Kieler Bürgermeisterin weitet sich zu SPD-internem Streit aus

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke droht ein Disziplinarverfahren wegen eines Steuerdeals mit einem Augenarzt. Ihre Eilentscheidung war rechtswidrig. Sie wirft Ministerpräsident Albig Einflussnahme vor. Der wehrt sich vehement.

An der Waterkant ist man immer für Affären gut. Derzeit wird Schleswig-Holsteins Gesprächsthema Nummer 1 aus dem Kieler Rathaus befeuert. Dort hatte die Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) Ende Juni per Eilentscheid dem Kieler Augenarzt Detlef Uthoff Säumniszuschläge und Zinsen in Höhe von 3,6 Millionen Euro aus seiner über Jahre aufgelaufenen Gewerbesteuerschuld erlassen, wenn dieser im Gegenzug von ihm zurückgehaltene 4,1 Millionen in die Stadtkasse zahlt. Die Kommunalaufsicht im Innenministerium attestierte Gaschke am vergangenen Freitag, dass sie rechtswidrig gehandelt habe, denn sie hätte die Ratsversammlung in den Entscheidungsakt mit einbeziehen müssen. Eine Eilbedürftigkeit als Argument Gaschkes konnte dort nicht festgestellt werden.

Die Gescholtene widerspricht und unterstellt stattdessen dem Ministerpräsidenten und ihrem Parteigenossen Torsten Albig, dass dieser in das Prüfverfahren der Kommunalaufsicht eingegriffen habe. Albig verwahrt sich gegen solch eine Behauptung und droht dem Kieler Stadtoberhaupt mit juristischen Schritten. Damit stehen die Nord-Sozialdemokraten womöglich vor einer Schlammschlacht, die sich noch Monate hinziehen könnte.

SPD-Landeschef Ralf Stegner springt Albig zur Seite und spricht von einer inakzeptablen Entgleisung Gaschkes. Die frühere »Zeit«-Redakteurin übernahm im Vorjahr den Posten als Verwaltungschefin der Landeshauptstadt, den Albig nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten geräumt hatte. Zunächst zog sie sich nach dem sogenannten Steuerdeal den Zorn von den Oppositionsparteien im Kieler Rat - CDU, FDP, Linke, Piraten - zu.

Inzwischen sieht die frühere Journalistin sich auch als Opfer einer parteiinternen Intrige. Nur mit wenigen Stimmen Vorsprung hatte sie sich innerhalb der SPD bei der Kandidatensuche für das OB-Amt gegen ihre Gegenspielerin Manuela Söller-Winkler durchgesetzt. Albig und Stegner unterstützten im Vorjahr die unterlegene Bewerberin. Diese leitet im Innenministerium die Abteilung Kommunalaufsicht und ist damit nun involviert in den Prüfvorgang des Steuerdeals. Gaschke äußerte jetzt die Vermutung, dass womöglich alte Rechnungen beglichen werden sollen.

All das weckt nun auch Misstrauen bei CDU und FDP im Kieler Landtag. Sie möchten, dass Albig und Innenminister Andreas Breitner (SPD) dem Innen- und Rechtsausschuss Rede und Antwort stehen. Der »Fall Uthoff« ist seit Wochen längst zum »Fall Gaschke« geworden und schlägt nun noch höhere Wellen. Ihr drohen nun gemäß Beamtenrecht disziplinarrechtliche Konsequenzen. In der Sache, ob der Steuererlass überhaupt hätte gewährt werden dürfen, hat die Kommunalaufsicht im Übrigen noch nicht entschieden.

Gaschke hat angekündigt, um ihr Amt zu kämpfen. Ein Rücktritt, wie ihn FDP und die Linke bereits gefordert haben, komme »jetzt erst recht« nicht für sie in Frage. Sie sehe in dem Steuerfall auch eine Mitverantwortung bei ihren Amtsvorgängern, die bis zu ihrer Entscheidung alle dem Stadtsäckel keinen einzigen Cent zugeführt hätten. Ausdrücklich benennt sie dabei auch Albig.

Die SPD-Ratsfraktion stand bisher hinter Gaschke, die es eventuell sogar auf einen Abwahlantrag ankommen lassen will. Wie die Genossen sich dann verhalten werden, bleibt eine der spannenden Fragen für die nächsten Monate.

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