FDP - Fast Drei Prozent

Flattersatz

  • Lesedauer: 3 Min.

Unauffällig trat »Familienministerin« Kristina Schröder in den Turbulenzen des Wahlabends ihren wohlverdienten Rückzug aus der Politik an. Das war natürlich ein Hammer, der aber mit dem Totalschaden der FDP noch getoppt wurde: Man sieht nur noch die Trümmer rauchen, der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen. Die Partei der Nichtsbesseresverdienenden durchbrach die Fünf-Prozent-Hürde von oben nach unten und erreichte mit 4,8 Prozent punktgenau den Alkoholwert des Pilsner Urquells. Wer ist schuld? Der Wähler. Denn der Wähler ist unberechenbar. Und er kann so gemein sein! Zwar regiert in Dresden eine schwarz-gelbe Koalition, aber nur noch für eine Galgenfrist von ein paar Monaten. Dann ist Landtagswahl. »In Ostdeutschland«, klagt Sachsens FDP-Chef Zastrow, »beurteilen uns die Wähler danach, ob wir halten, was wir versprechen.« Na, dann Hals- und Beinbruch!

Mit Vorbedacht hatte ich mich neulich für die Briefwahl entschieden wie so viele meiner Freunde. Keiner wollte im Wahllokal gesehen werden und sich dem Verdacht aussetzen, er hätte Brüderles Gurkentruppe gewählt, die immer wieder lustvoll dem Irrtum erliegt, andere Leute wären dümmer als sie. Ehrlich gesagt, mache ich mir schon länger Sorgen um die Herrschaften von der Mövenpickpartei. Ohne Rücksicht auf ihren Leumund borgten sie sich in großem Stil bei der genervten Kanzlerin jahrelang Leihstimmen und berauschten sich an den so »generierten« potjomkinschen Wahlergebnissen. Kein Wunder, dass sogar die schwarze Witwe anfing, an der Bonität ihrer gelben Helfer zu zweifeln. »Gott«, sagt sie, »schuf die FDP vielleicht nur, um uns zu prüfen.«

Das könnte sein. Monatelang hatte ihnen die Kanzlerin eingehämmert, die Rückgabefrist für die gepumpten Stimmen sei unwiderruflich abgelaufen. Der Dampfplauderer Brüderle jedoch trompetete bis zum bitteren Ende: »Wer Merkel will, wählt FDP!« Und nun? Nun ist Ruhe im Karton. Die Kanzlerin jubelt: »Das haben wir toll gemacht!« Fips Rösler, der große Vorsitzende, ist achtkantig zurückgetreten worden; das war unvermeidlich, denn nicht mal ein Anzug von BOSS kann aus ihm einen Chef machen. Nun erquickt uns das Schweigen großer Redner, die den Straßenverkehr mit Guidomobilen gefährdeten, sich im Vollrausch die Zahl 18 auf die Schuhsohlen malten und das erzwungene Däumchendrehen der Langzeitarbeitslosen als »spätrömische Dekadenz« verhöhnten.

Regelmäßig kassiert die FDP von »der« Wirtschaft Großspenden und bedankt sich mit lobbyistenfreundlicher Crash-Politik: Runter mit den Niedriglöhnen, rauf mit den Gewinnen! Mehr Lohndumping, Leiharbeit und Werkverträge! Hungerlöhne sind nicht nur zumutbar, sondern wünschenswert. Aber Vorsicht, dass »die« Wirtschaft nicht von der süßen Last der Maximalprofite erdrückt wird! Vor allem imponiert mir Daniel Bahr, der »Gesundheitsminister« und Busenfreund der Pharmakonzerne. Einst machte er in Münster sein Abitur und antwortete auf eine Frage der Abiturzeitung, was er denn mal werden wolle, freimütig: »korrupter Politiker«.

Oh ja, Deutschland braucht die Liberalen. Wozu? Zum Fremdschämen. In einem Anfall von Torschlusspanik hatte Mutti wenige Tage vor der Wahl den Steinmetzen im vereinigten Deutschland noch einen Mindestlohn verordnet: 11 Euro im Westen, 10,13 Euro im Osten. Das bedeutet mehr Geld für Steinmetze. Doch leider verteuert es den Grabstein für die FDP. Auch das noch!

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