Wenn der Wurm turnt

Meine Sicht

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 2 Min.

Es gibt da so ein Wortsport-Gedicht vom Fernsehturmwurm, der auf dem Fernsehturm turnt und immer wenn er das tut, »wackelt bei uns das Bild«. Wie andere ostdeutsche Qualitätsprodukte sind diese Zeilen wohl nur Ostberlinern bekannt, mir jedenfalls gehen sie meistens dann durch den Kopf, wenn ich auf dem S-Bahnsteig Alexanderplatz stehe - und den Fernsehturm nicht mehr sehen kann.

So auch heute. Während die Einen Einheitsfähnchen schwenken oder in den Wald fahren zum Pilze sammeln, teile ich mir mit Anderen das Los des arbeiten Müssens. Um Einheitsfeiertag-Trübsal oder schwarz-rot-goldene Jubelgrüße soll es hier allerdings nicht gehen. Der Fernsehturm hat nämlich Geburtstag und sollte im Mittelpunkt der Festivitäten stehen. Auch an seinem Ehrentag verstellt jedoch ein unschönes, weil unfertiges, graues Konstrukt mit Löchern den Blick auf den Turm und das Rote Rathaus.

Der glasverkleidete Klotz, der da entstehen soll, bietet dann aus seinen Edelwohnungen den schönen Blick auf Fernsehturm und Wasserspiele. Anfang 2014 soll »Alea 101« bezugsfertig sein, nach alten Plänen war das schon für Ende 2012 geplant. Der Bauherr ging im Sommer dieses Jahres insolvent und man weiß ja, wie das so ist mit Berliner Baustellen.

Alea ist ein Überbleibsel der großzügigen Pläne, die alte Mitte mit Büro- und Hotelkomplexen zu bebauen. Nicht wenige unkten, dass der Telespargel als DDR-Symbol dann auch gleich weg gehackt wird. Befürworter warfen den Bebauungsgegner Ostalgie und Lust am Stillstand vor. Von wegen. Der Wurm auf dem Turm, der turnt wenigstens. Und die Restaurantkugel dreht sich. Stillstand ist da nie.

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