1000 Lehrer fehlen im Norden für Inklusion

GEW fordert Kieler Regierung zum Handeln auf

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
»Inklusion braucht mehr! Jetzt!« Diese Forderung richtet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft an Schleswig-Holsteins Landesregierung. Konkret setzt sich die Gewerkschaft in diesem Zusammenhang für die Schaffung von mindestens 1000 zusätzlichen Lehrerinnenstellen ein.

Für die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) ist der Punkt erreicht, an dem Schluss sein muss mit Sonntagsreden zum Thema Inklusion. Für eine konsequente Umsetzung bedarf es aus Sicht der Organisation einer Offensive im Lehrkräftebereich. In Kiel legte die GEW konkrete Zahlen für Schleswig-Holstein vor, die bei der anstehenden Verabschiedung des Haushalts 2014 sowie eines neuen Schulgesetzes Berücksichtigung finden sollen. Was selten vorkommt: Die CDU - sie steht in Opposition zur Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW - findet sich an der Seite der Gewerkschaft.

20 000 mit Förderbedarf

Was nutzt dem Bundesland eine Umsetzungsquote von 60 Prozent und damit auf dem Papier ein bundesweit guter Wert bei der Integrationsbeschulung, wenn es am eigentlich nötigen individuellen Förderunterricht hapert? GEW-Landeschef Matthias Heidn gab der Befürchtung Ausdruck, dass Behinderte bei fehlender personeller wie materieller Ausstattung im Regelschulalltag schnell zu Bildungsverlierern werden können. Er sprach von einer stiefmütterlichen Behandlung des Themas.

Die Unzufriedenheit bei betroffenen Eltern und Lehrern steigt, legt man die bei der Gewerkschaft ankommenden Beschwerden zugrunde. Deshalb, so argumentiert die GEW, verlange der Status quo von knapp 20 000 Schülern mit Förderbedarf die Bereitstellung von mindestens 1000 zusätzlichen Stellen. Wenn es bei der Stundenvergabepraxis in Kopplung mit Personalbereitstellung nach Thüringer Maßstäben ginge, ließe sich in Schleswig-Holstein gar ein Defizit von knapp 3600 Stellen ausmachen, erklärt Heidn.

Da die Landesfinanzen vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung solch eine Größenordnung als utopisch erscheinen lassen, appellierte der GEW-Landeschef, dass es für die nächsten Jahre einen Stufenplan geben müsse. Vorher mahnte er allerdings eine Bestandsaufnahme für Inklusion an und einen zielgerichteten Aktionsplan dazu.

Begrüßt wird seitens der GEW, dass das Bildungsministerium im Rahmen der neu ausgerichteten Lehrerausbildung künftig allen angehenden Lehrern verbindlich das thematische nötige Rüstzeug mit auf den Weg in den Beruf mitgeben wolle. Heidn wies jedoch darauf hin, dass das in der Praxis dann frühestens in sieben Jahren greifen könne.

Wegen der schlechten Ausgangslage im Norden ist ein von der Landesregierung aus haushaltspolitischen Gründen geplanter Stellenabbau aus GEW-Sicht extrem fahrlässig. Vorgesehen ist ab kommendem Jahr bis 2020 der Wegfall von 2700 der bisherigen 20 000 Lehramtsstellen. Auch im Bereich Fortbildung müsse mehr getan werden. Vielen jetzt aktiven Lehrkräften würden die Fachkenntnisse für eine Inklusionsbeschulung fehlen. Statt einer strukturierten, pädagogischen Weiterbildung des Lehrkörpers herrsche an Regelschulen derzeit meist das Prinzip »learning by doing« vor, berichtete Heidn.

Im Zuge der auf Bundesebene anstehenden Koalitionsverhandlungen verlangt die Nord-GEW eine Aufhebung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern in diesem Bereich, denn nur mit Landesmitteln lasse sich die Inklusion nicht meistern. Hierbei handele es sich vielmehr um eine nationale Aufgabe.

CDU prophezeit Scheitern

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) zeigte Verständnis dafür, dass die GEW das Thema fokussiere. Sie hat ein Inklusionskonzept nach einem gemeinsamen Dialog zugesagt. Unterstützung findet die Forderung nach einer Stellenaufstockung ausgerechnet bei der CDU. Diese stellt der Landesregierung ein schlechtes Zeugnis aus. Wenn es zu keinem Stellenausbau komme, werde die Inklusion scheitern, prophezeit die Union. Das ist ein Szenario, das die GEW in dieser Deutlichkeit noch nicht formuliert.

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