Arzt auf Abwegen

Ermittlungen bei Wölbern Invest in Hamburg

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Hamburger Investmenthaus eines Medizinprofessors soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Jedenfalls sitzt der Inhaber derzeit in Untersuchungshaft.

»Ihr Geld in guten Händen« - mit diesem Vertrauen erweckenden Motto wirbt die frühere Bank Wölbern um Anleger. Nun sitzt Heinrich Maria Schulte, Arzt, Professor und Inhaber des Hamburger Fondshauses Wölbern, wegen mutmaßlicher Untreue in Untersuchungshaft. Er soll viele Millionen Euro seiner Kunden ins Ausland verschoben haben.

Einen solchen Fall gibt es auch in Hamburg nicht alle Tage: Mit einem Großaufgebot von über 60 Polizisten durchsuchte die Staatsanwaltschaft Ende September die Geschäftsräume der Fondsgesellschaft Wölbern Invest KG am Großen Grasbrook. Hier soll 1401 der legendäre Seeräuber Störtebeker hingerichtet worden sein.

Die Hälfte ist Schrott

Durchsucht wurde auch die Privatwohnung des Inhabers und Geschäftsführers Heinrich Maria Schulte. Schulte selbst wurde verhaftet. »Es bestand Fluchtgefahr«, sagte der zuständige Staatsanwalt gegenüber Hamburger Medien. Der Delinquent habe gute Kontakte ins Ausland.

Der gelernte Mediziner hatte mit Hilfe von Verkäufern, darunter namhafte Banken, Zehntausenden von Anlegern erzählt, geschlossene Immobilienfonds seien solide Bausteine der privaten Altersvorsorge. »Die meisten Betroffenen dürften in der Zwischenzeit ihre Zweifel haben«, scherzt der Bremer Finanzanalytiker Volker Looman. Geschlossene Fonds gelten seit Jahrzehnten als durchwachsen: 10 Prozent sind Spitze, 40 Prozent sind Mittelmaß, 50 Prozent sind Schrott. War es Gier, die Manager, Ärzte, Anwälte veranlasste, ihr Geld trotzdem in holländische Bürotürme oder polnische Kommerztempel zu stecken?

Bereits im März kursierten Gerüchte in der Hansestadt, dass im traditionsreichen Fondshaus nicht alles mit rechten Dingen zugehe. Damals teilte das Investmenthaus seinen schätzungsweise 40 000 Anlegern überraschend mit, dass es sich von fast allen seinen Immobilienfonds trennen wolle. Das Kapital der eher wohlhabenden Anleger war über die geschlossenen Immobilienfonds in drei Dutzend Objekte vor allem in den Niederlanden, aber auch Österreich, Frankreich und Polen geflossen.

Nun sind geschlossene Fonds unternehmerische Beteiligungen und entsprechend riskant. Und sie sind für private Anleger schwer zu durchschauen. Einige hatten schon 2011 eine »Schutzgemeinschaft« gegründet. Und im März dieses Jahres kam auch in der Öffentlichkeit der Verdacht auf, dass aus mehreren Fonds Millionenbeträge abgezogen wurden, um in anderen Fonds finanzielle Löcher zu stopfen. Ohne, dass die Anleger dem zugestimmt haben, wie es rechtlich vorgesehen ist. Im Frühjahr bestätigte die Staatsanwaltschaft erstmals, dass gegen zwei Manager von Wölbern Invest wegen Untreue ermittelt werde.

Die Verhaftung des allzeit braungebrannten Heinrich Maria Schultes trifft ein schillerndes Unternehmen. Dessen Wurzeln reichen fast 200 Jahre zurück: Die Geschichte beginnt 1816 in Berlin als E.J. Meyer Bank; den heutigen Namen erhielt das Unternehmen 1956, als der Hamburger Investor Ernst Wölbern die Anteile erwarb.

3,8 Milliarden Euro

Die Story als Fondshaus begann dann in den neoliberalen 1990er Jahren mit dem ersten Holland-Fonds, der in niederländische Immobilien investierte. Seither wurden laut Firmenangaben 97 Fonds mit einem Investitionsvolumen von rund 3,8 Milliarden Euro aufgelegt.

Heinrich Maria Schulte kommt 2006 ins Spiel, als der Arzt auf Abwegen die Wölbern-Gruppe übernahm. Schulte arbeitete früher als Internist und Hormonmediziner. Einige Beobachter erwarten eine baldige Anklageerhebung oder die Freilassung des Amateur-Bankers. Dagegen hält die Staatsanwaltschaft: Auf Anfrage teilt eine Sprecherin mit, das Verfahren werde »eher Monate als Wochen« dauern. Schulte bleibt in Haft.

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