Lehen für die Thronfolger

Bayerns Regierung vereidigt - Heimatministerium mit Außenstelle

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Die ministerlose Phase in Bayern ist beendet: Zwei Tage nach dem Amtseid von Ministerpräsident Seehofer ist die neue CSU-Alleinregierung hochoffiziell in Amt und Würden.

München (dpa/nd). Dreieinhalb Wochen nach der Landtagswahl hat Bayern wieder eine CSU-Alleinregierung: Die Minister und Staatssekretäre legten am Donnerstag im Landtag feierlich den Amtseid auf die bayerische Verfassung ab: »Ich schwöre es - so wahr mir Gott helfe«, sagten alle 17 Kabinettsmitglieder der Reihe nach. Alle bayerischen Regierungsbezirke stellen nun einen Minister oder eine Ministerin.

Der schon zwei Tage vorher gewählte Ministerpräsident Horst Seehofer pries die Neuordnung der Ressortzuschnitte als größte Veränderung der vergangenen Jahrzehnte. Die Opposition hielt Seehofer Großsprecherei vor. »Einen großen Wurf wird das niemand nennen«, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher zum neuen Kabinett und den neuen Zuständigkeiten.

Erste Forderungen

Bayerns Kommunen fordern von der neuen Staatsregierung mehr Geld für strukturschwache Gebiete. Die Fördermittel müssten stärker als bisher in solche Regionen fließen, verlangten der Gemeindetag und der Landkreistag in München. Beide Verbände sehen im neuen Kabinett eine große Chance für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. »Ministerpräsident Horst Seehofer hat deutliche Akzente für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in Bayern gesetzt«, lobte Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU).

(dpa/nd)

 

Erstmals seit 1806

Seehofer hat in mehreren Bereichen bisher auf mehrere Häuser verteilte Zuständigkeiten in einem Ministerium gebündelt. So ist Wirtschaftsministerin Ilse Aigner allein zuständig für die Energiewende, Innenminister Joachim Herrmann für Bau und Verkehr. Kultusminister Ludwig Spaenle verantwortet das gesamte Bildungswesen von der ersten Grundschulklasse bis zum Hochschulstudium. Diese Zusammenlegung bezeichnete Seehofer als einen der größten Schritte der Kabinettsreform. »Die gesamte Bildungspolitik kommt künftig aus einer Hand.«

Finanzminister Markus Söder ist unter dem Sammelbegriff »Heimatminister« künftig zuständig für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land. Seehofer nannte das einen »historischen Schritt«. Das Heimatministerium erhält eine Außenstelle in Nürnberg. Damit ist zum ersten Mal seit der Gründung des Königreichs Bayern im Jahre 1806 ein Ministerium wieder mit einem dauernden Dienstsitz außerhalb Münchens vertreten, wie Söder am Rande der Sitzung anmerkte.

Eine prominente Rolle auf Bundesebene soll die bisherige Sozialministerin Christine Haderthauer spielen, die ebenfalls eine wichtigere Rolle bekommt: Sie ist neue Chefin der Staatskanzlei und übernimmt dort auch die Zuständigkeit für die Bundesangelegenheiten.

Kaum einen Satz hat Horst Seehofer zuletzt so oft betont wie diesen: dass die aktuellen Personalentscheidungen in der CSU keinerlei Bedeutung für die Nachfolgefrage hätten. Und doch geht es bei der Neuordnung erst der CSU-Fraktionsspitze und nun des Kabinetts selbstverständlich immer auch darum: Wer dem CSU-Chef und Ministerpräsidenten in einigen Jahren nachfolgen könnte. Und wer von den möglichen Thronfolgern sich nun die beste Startposition sichert.

Schon am Mittwochnachmittag blickte man vor dem CSU-Sitzungssaal fast nur in zufriedene Gesichter: bei Ilse Aigner und Markus Söder, aber auch bei Christine Haderthauer oder Joachim Herrmann, die Seehofer alle vier schon einmal als potenzielle Nachfolger ins Gespräch gebracht hatte.

Tatsächlich legt Seehofer seit langem - spätestens seit den Zeiten von Karl-Theodor zu Guttenberg - immensen Wert darauf, dass sich die Kronprinzen und Kronprinzessinnen auf Augenhöhe begegnen, aber unterhalb der seinen. Keiner soll hervorstechen, keiner soll zu mächtig werden, kurz: Keiner soll ihm vorzeitig gefährlich werden. Ansonsten fällt die Degradierung von Beate Merk auf. Die bisherige Justizministerin, die im Fall Mollath eine unglückliche Figur gemacht hatte, wird Europaministerin - die schwächste Position im Kabinett. Eine Überraschung ist die Berufung des bislang in keiner Weise auffälligen Unterfranken Winfried Bausback zum Justizminister.

Damit steht nun also Seehofers Münchner Mannschaft. Fehlt noch die in Berlin, sollte es dort zu einer Koalition mit der CSU kommen. Dann hat der CSU-Chef Ruhe - vorläufig. Spätestens in zweieinhalb Jahren, zur Mitte der Legislatur, werde es um Seehofers Erbe gehen, heißt es in der CSU. Er will 2018 nicht mehr antreten.

Nach Regionalproporz

SPD-Fraktionschef Rinderspacher kritisierte, die personelle Erneuerung sei ausgeblieben und es seien zu wenig Frauen im Kabinett. »Der Regionalproporz hat das Denken bestimmt.« Die Neuordnung der Ressortzuschnitte sei nicht durchdacht. »Der Ministerpräsident verteilt Zugeständnisse an einzelne Kabinettsmitglieder wie Bonbons an kleine Kinder.« Rinderspacher hielt Seehofer außerdem vor, an einer »affärengeschüttelten Ministerin« festzuhalten - gemeint ist die frühere Justizministerin Merk.

Auch Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger kritisierte, dass Merk weiterhin in Amt und Würden sei, nur in einem anderen Amt. Insgesamt sagte er zum neuen Kabinett: »Es überwiegt leider Gottes der Schatten, trotz einiger Lichtblicke.«

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann beklagte, es sei Seehofer bei der Kabinettsbildung vor allem um die innerparteiliche Harmonie gegangen und nicht darum, die großen Herausforderungen der Zukunft anzugehen. »Sie haben aus dem Nix lauter Superministerien gemacht«, kritisierte Hartmann. »Das ist wie an der Tankstelle. Da gibt's auch nur noch Super, aber das Auto ist gleich und fährt auch nicht besser.«

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