Querulanten und Dauerkunden

Die interne Weisung eines Berliner Jobcenters verrät viel über den Umgang mit Arbeitslosen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Jobcenter in Lichtenberg führte intern die Kategorien »Querulant« und »Dauerkunde«. Die Berliner Piratenpartei wollte nun vom Senat wissen, ob er das für legitim hält. Die Antwort überrascht.

Langzeitarbeitslose werden in den Jobcentern schlechter betreut als Menschen mit guten Chancen auf eine schnelle Vermittlung. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern das Ergebnis von Untersuchungen des Bundesrechnungshofes. Die Prüfer hatten 156 Arbeitsagenturen und sieben Regionaldirektionen ein Vierteljahr lang beobachtet und schließlich im Juni dieses Jahres feststellen müssen, dass leicht vermittelbare Kunden intensiv betreut werden, während bei mehr als 50 Prozent der Langzeitarbeitslosen nicht mal einen Stellensuchlauf machte.

Offenbar gibt es interne Anweisungen, die hier Prioritäten festlegen. Wie so etwas aussehen könnte, zeigt ein Dokument, das der Berliner Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus vorliegt. Die Piraten hatten nach dem Informationsfreiheitsgesetz entsprechende Anfragen an die Berliner Jobcenter gerichtet. Dadurch gelangte man an eine interne Arbeitsanweisung aus dem Stadtteil Lichtenberg. In diesem Fall ging es um das »Kundenreaktionsmanagement« der Behörde. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich so etwas wie die Beschwerdestelle der Jobcenter, die allerdings nur per Brief oder E-Mail erreichbar ist. »Wir nehmen aber auch Ihre Probleme ernst und werden gemeinsam mit Ihnen versuchen, eine Lösung zu finden«, heißt dazu beim Jobcenter Lichtenberg. Doch offenbar gilt das nicht für alle.

In einer Anweisung für die Mitarbeiter ist von »Querulanten« und »Dauerkunden« die Rede. Wer unter eine dieser Kategorien fällt, dessen Anliegen wird mit der niedrigsten Priorität behandelt. Die Lichtenberger Weisung zeigt, wie die Jobcenter ihre Kunden in gute und schlechte einteilen. So ähnlich könnte es auch bei der Arbeitsvermittlung laufen: Die jungen Neukunden auf der einen Seite, die schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen und Querköpfe auf der anderen.

Die Piratenfraktion wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen und stellte eine Kleine Anfrage an den Senat. Unter anderem wollte man wissen, ob der Senat die Kategorien »Querulant« und »Dauerkunde« für legitim hält. Die dem »nd« vorliegende Antwort der Senatsverwaltung überrascht: Zur Wortwahl sei festzustellen, dass es nicht die Absicht des Jobcenters war, mit der Betitelung »eine inhaltliche Wertung vorzunehmen«. Sind die Bezeichnungen »Querulant« und »Dauerkunde« wertfrei? Offenbar nicht. Denn bereits im nächsten Satz betont die Senatsverwaltung, das Jobcenter habe die beiden Begriffe »ersatzlos gestrichen«.

Zwar sind die Bezeichnungen verschwunden, doch »Sinn und Zweck« der Arbeitsanweisung wurden nicht verändert, schließlich biete sie einen »Handlungs- und Orientierungsrahmen« für die Mitarbeiter, so die Senatsverwaltung.

Auf die Frage, ob diese fragwürdigen Kategorisierungen von Kunden auch von anderen Berliner Jobcentern vorgenommen werden, muss der Senat passen. »Die internen Dienstanweisungen zum Kundenreaktionsmanagement (KRM) der einzelnen Jobcenter« seien dem Senat »nicht bekannt«.

Übrigens: Nicht jedes Jobcenter rückt die geforderten Anweisungen heraus. Derzeit klagt die Piratenfraktion gegen das Jobcenter Neukölln auf Herausgabe interner Weisungen. »Die wirklich interessanten Weisungen, zum Beispiel für den Außendienst, hält das Jobcenter Neukölln unter hanebüchenen Begründungen weiterhin zurück«, kritisiert Fraktionsmitglied Simon Weiß.

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