Markiert mit Neonbändchen

In München werden bulgarische Arbeiter von Beamten kontrolliert / Der Zoll nennt das Prävention

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der selbst organisierte Arbeitsmarkt am Münchner Hauptbahnhof ist vielen ein Dorn im Auge. Die Initiative Zivilcourage unterstützt Arbeitsuchende und spricht von rassistischen Kontrollen.

Die Münchner Initiative Zivilcourage erhebt in einer Mitteilung schwere Vorwürfe gegen die Polizei und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS) in München. Am Montag hätten rund 20 Beamte und Beamtinnen rund 30 Personen – allesamt bulgarische Tagelöhner – im Hinterhof des Münchner Hauptbahnhofs in eine Ecke gedrängt und kontrolliert. Einige der Arbeiter hätten Papiere unterschreiben müssen, die sie nicht verstanden. »Bevor sie wieder freigesetzt wurden, bekamen sie neongrüne Armbänder, die sie zu tragen hätten«, heißt es weiter.

Die Kontrolle sei keine gewesen, sondern eine präventive Ansprache zur Aufklärung, sagt Thomas Meister, FKS-Sprecher in München. Eine Übersetzerin sei dabei gewesen, die Papiere waren Personalfragebögen für die Behörde. »Wir haben die Tagelöhner über die rechtlichen Konsequenzen aufgeklärt, damit wir sie nicht später auf einer Baustelle bei der Schwarzarbeit antreffen und ihnen ihr weniges verdientes Geld noch abnehmen müssen. Wir wollen an die Auftraggeber ran.« Die Beamten hätten Arbeitsgenehmigungen zur Ansicht dabei gehabt. Die Praxis der Armbänder würde zudem seit Jahren angewendet. Sie sollen bei Kontrollen sichtbar machen, wer überprüft wurde und wer noch nicht.
»Wenn das gängige Praxis ist, dann müssen die den Leuten auch erzählen, dass die Armbänder nach der Kontrolle wieder abgenommen werden können«, kritisiert Lisa Riedner von der Initiative Zivilcourage.

Am Dienstag hätten einige eingeschüchterte Betroffene bei der Beratungsstelle der Initiative gewartet. Sie hätten gefordert, beim Zoll zu fragen, wie lange sie die Armbänder tragen müssten. Auch hätten die Beamten einigen der Arbeitsuchenden erzählt, dass sie bis 2014 nicht mehr in Deutschland arbeiten dürften. »Das stimmt doch nicht«, sagt Riedner. Einige hätten unbefristete Arbeitsgenehmigungen, andere einen Gewerbeschein, mit dem sie als Selbstständige arbeiten dürfen. Sie könnten auch immer eine Arbeitserlaubnis beantragen.

Die Initiative spricht in ihrer ersten Stellungnahme am Mittwoch darum von einer rassistischen Polizeikontrolle und fordert von der FKS eine Entschuldigung für die Armbänder. »Mehrere Kontrollen täglich sind für einige der Menschen keine Seltenheit«, sagt Riedner. Meist werden sie allein wegen ihres Aussehens kontrolliert oder eben weil sie sich in dem Areal nahe des Hauptbahnhofs aufhalten, das von vielen verächtlich »Arbeiterstrich« genannt wird. »Wenn es um Prävention geht, muss man da anders rangehen«, so Riedner.

Die Initiative Zivilcourage berät seit 2010 bulgarische Arbeitsuchende. Einer der jüngsten Fälle: Im August und September wurden Arbeiter eingesetzt, um U-Bahnhöfe zu reinigen. Die Stadt beauftragte einen Generalunternehmer, der ein Subunternehmen beauftragte, das die Arbeiter anstellte. Auf die Löhne warteten sie vergebens und wandten sich an die Stelle am Münchner Hauptbahnhof. Für einige der Geprellten konnte die Lohnauszahlung erreicht werden. Für die anderen streitet jetzt eine Anwältin. Die Probleme der bulgarischen Arbeitsuchenden am Münchner Hauptbahnhof sind bekannt. Vor einigen Jahren sorgte ein Fall für Schlagzeilen als 40 Bauarbeiter in der Innenstadt um Essen bettelten. Zwei Monate Lohn standen aus, tagelang hatten sie nichts gegessen. Nach Medienberichten hatten FKS-Beamte mit Schokolade und Semmeln geholfen.

Vielleicht steht hinter dem neuen Präventionseifer der Behörden aber auch einfach Einschüchterung. Nachdem sich der »Süddeutschen Zeitung« zufolge Anwohner und Ladenbetreiber im Sommer beschwert hatten, forderte der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl ein härteres Durchgreifen. Durch schärfere Kontrollen sollen die bulgarischen Tagelöhner von der Kreuzung vertrieben werden», hieß es.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal