Auf dem besten Weg zur Blase

Liegenschaftspolitik des Senats fördert Wohnungsbau am Bedarf vorbei

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Mieten und Kaufpreise für Wohnungen in Berlin steigen weiter ungebremst. Die Mieter leiden schon heute - die Käufer später auch?

»Wenn jemand sagt, die Mieten werden in Berlin immer teurer und unbezahlbar, dann muss ich sagen - das stimmt.« Das Zitat stammt nicht von einem Mietaktivisten, sondern von Michael Kiefer, Chefanalyst des Immobilienportals Immobilienscout 24. Er belegt dies mit Zahlen: Innerhalb nur eines Jahres sind die Angebotsmieten bei Neuvermietungen in der Stadt um sechs Prozent gestiegen. Die höchste Dynamik weisen hierbei die üblicherweise verdächtigen Bezirke auf: In Neukölln stiegen die Mieten innerhalb eines Jahres um zehn, in Kreuzberg um acht Prozent. Aber auch außerhalb des S-Bahnrings in Wedding, Lichtenberg und Hohenschönhausen liegt die Steigerung über sieben Prozent.

»Wohnungen in Prenzlauer Berg sind für den Normalbürger nicht mehr zu bezahlen. In der Stadt findet Verdrängung statt, keine Frage«, so Kiefer weiter. In der ganzen Stadt gibt es nicht einen Kiez, in dem die Mieten nicht gestiegen sind, in Prenzlauer Berg und Mitte liegen die Durschnittspreise für den Quadratmeter bereits über neun Euro netto/kalt, stadtweit sind die Mieten seit 2007 um über 35 Prozent gestiegen.

Ein Ende der Entwicklung ist noch nicht abzusehen: Berlins Bevölkerung wächst nach Senatsprognosen bis 2020 um bis zu 250 000 Einwohner, schon jetzt besteht weniger Angebot als Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum. Investoren bauen und sanieren zwar viel in der Stadt, allerdings fast nur im Hochpreis- oder Eigentumssegment, also an den Bedürfnissen der meisten Bewohner der Stadt vorbei. Hierfür ist auch die bisherige Liegenschaftspolitik des Senats verantwortlich: Werden Baugrundstücke nur nach dem Höchstpreisprinzip verkauft, werden aufgrund der Investitionen und Renditeerwartungen auch nur Wohnungen gebaut und verkauft, die sich zu viele Menschen schlicht nicht leisten können. Und die Förderung von neuem sozialen Wohnungsbau beginnt frühestens 2014, sofern nicht eine Initiative der LINKEN im Abgeordnetenhaus Erfolg hat, die in einem Nachtragshaushalt für 2013 mit Mehreinnahmen des Landes unter anderem die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften für diese Zwecke finanziell besser ausstatten möchte.

Auf dem sich weiter erhitzenden Wohnungsmarkt tummeln sich immer mehr Makler, ihre Zahl stieg nach Angaben des Immobilienportals von 834 in Jahr 2007 auf heute über 1400 heute an. Schnelles Geld durch Provisionen und niedrige Zugangschwellen lockt viele Glücksritter an: Makler ist kein geschützter Beruf, kein Abschluss ist nötig, eine Gewerbeanmeldung reicht. Bei Immobilientransaktionen gingen 2013 bereits mehr als 500 Millionen Euro über den Tisch, die Angebotspreise für Eigentumswohnungen in ganz Berlin sind innerhalb eines Jahres um fast zehn Prozent gestiegen, auch hier liegt Kreuzberg mit einem Anstieg um 14 Prozent an der Spitze.

Immer mehr Kapital, das auf einen begrenzten Markt strömt, hohe Renditeerwartungen, unter denen immer mehr Mieter leiden müssen: Berlin ist auf dem besten Wege, Hamburger und Münchner Wohnverhältnisse zu bekommen. Für Immobilien in diesen Städten wurden laut Bundesbank »zuletzt Preise verlangt und gezahlt, die nicht von längerfristigen demografischen und wirtschaftlichen Faktoren gedeckt seien«. Anzeichen für eine Immobilienblase mehren sich auch in Berlin.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal