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Vermögensjongleur und Elvisimitator

Ein Augenarzt steht im Zentrum der Kieler Affäre

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Steuerschulden des 71-jährigen Kieler Augenarztes Detlef Uthoff brachten die Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt in Bedrängnis.

Steuersünder, Arbeitgeber, Entertainer, Wohltäter, Lebemann - all das trifft wohl auf den Kieler Augenarzt Detlef Uthoff zu. Der 71-Jährige ist die Hauptperson in der Affäre um den sogenannten Kieler Steuerdeal, der so schwer auf Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) gelastet hatte.

Ganze 19 Jahre dümpelte der Steuerfall des Mediziners im Kieler Rathaus zwischen Finanz- und Rechtsabteilung, ohne dass es zu einer Entscheidung gekommen wäre. Nach üppigen Immobilienkäufen in den 1980er und 1990er Jahren und raschen Verkäufen - dem Vernehmen nach durch eine finanzielle Schieflage ausgelöst - wurde Uthoff gewerbesteuerpflichtig. Per Eilentscheidung hatte Gaschke ihm im Juni 3,7 Millionen Euro an Säumniszuschlägen und Zinsen erlassen. Dafür verpflichtete sich der Direktor einer Augenklinik, seine 4,1 Millionen Euro an Gewerbesteuerschuld in 80 000-Euro-Raten abzustottern.

Doch die Kommunalaufsicht des Innenministeriums stellte fest, dass dieser Erlass so niemals hätte erfolgen dürfen. Das Ministerium forderte die Stadt auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. Das wiederum dürfte neue juristische Streitereien hervorrufen, da Uthoff sich auf den steuerrechtlichen Vertrauensschutz beruft.

Der behördliche Millionenrabatt ist aus seiner Sicht offenbar Bestandteil eines Vertrages, den die Stadt nun nicht einfach vergessen könne. Überhaupt ist sich Uthoff keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil klagt er über seine Lebenslage und bestreitet, auf großem Fuß zu leben. Das Kleinflugzeug? Veraltet und reparaturbedürftig. Die Jacht? In die Jahre gekommen, nur spärlich genutzt und kaum verkäuflich. Die Doppelhaushälfte auf Sylt? Nur eine Sicherheit für die Bank. Im Übrigen fahre er nur einen geleasten BMW, wo doch ein höherklassiger Mercedes Standard sei.

Nach diesen Schilderungen konnte sich Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) höchstpersönlich nicht den Hinweis verkneifen, dass zwar das Existenzminimum ein ernsthaft zu prüfendes Kriterium darstelle - nicht aber der Lebensstandard eines Steuerpflichtigen. In den Leserbriefspalten der »Kieler Nachrichten« wird Uthoff gar als »Zechpreller« tituliert. Andere Ärzte sorgen sich schon, auf ihre Zunft könne ein falsches Licht geworfen werden.

Der Ruf des Augenspezialisten ist jedenfalls erst einmal dahin. Wobei niemand an seiner medizinischen Kompetenz zweifelt - und auch nicht an seinem Engagement. Großzügig behandelte er im Kosovokonflikt am Auge verletzte Soldaten und wirkte für Ärzte ohne Grenzen.

Zudem gehört Uthoff der New Yorker Akademie der Wissenschaften und mehr als 20 weiteren medizinischen Gremien oder Gesellschaften an. Anno 2000 erhielt er vom Bundesforschungsministerium den Innovationspreis für seine Forschungen über künstliche Linsen. Vor fünf Jahren hat er eine Stiftung zur Förderung der Augenheilkunde ins Leben gerufen. Jahrelang trat er zudem als Elvisimitator auf.

Doch mit den Finanzbehörden lag Uthoff schon immer im Clinch. Wegen Steuerhinterziehung wurde bereits 1993 gegen den Mediziner ermittelt, was in einem Strafbefehl über 1,8 Millionen Euro und einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe mündete. Kaum zu glauben, dass im Kieler Rathaus diese Vorgeschichte nicht bekannt gewesen ist.

Um sich herum hat der fünffache Vater Uthoff ein Firmengeflecht aufgebaut, in dem auch Familienangehörige eine Rolle spielen sollen. Besitz und die Verbindlichkeiten zu verteilen und sich arm zu rechnen - es wäre nicht das erste Mal, dass sich Vermögende so vor dem Fiskus verschanzt hätten. Ein Begleichen der angefallenen Steuer in voller Höhe sei aus Liquiditätsgründen unmöglich, argumentiert der Steuerschuldner. Eine familieneigene Gesellschaft und deren Forderungen bedient er, für die öffentlichen Kassen reicht das Geld dann nicht mehr so recht. Ansonsten müsse er für seine 1985 gegründete Klinik mit 150 Beschäftigten Insolvenz anmelden. Einem Steuerbescheid über 2,7 Millionen Euro Einkommenssteuer sei er aber Anfang des Jahres nachgekommen. Aus einer Selbstverständlichkeit macht der 71-Jährige eine Gönnerpose.

Die Kieler LINKE findet das alles nur noch scheinheilig. Sie bezeichnet den Arzt als gierigen Spekulanten. Fraktionsvorsitzender Heinz Wieser: »Sich trotz Luxus als gutwillig, aber leider zahlungsunfähig hinzustellen, ist schon ein starkes Stück und verhöhnt jeden Steuerzahler.«

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