Bundesagentur zählt weniger Hartz-IV-Klagen

Trotz des leichten Rückgangs keine Entlastung für die Sozialgerichte

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Zahl der Hartz-IV-Klagen an deutschen Gerichten soll rückläufig sein. Allerdings erfasste die Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht alle Jobcenter.

Wenn »Bild« Jubelmeldungen verbreitet, ist Vorsicht geboten. Unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldete das Blatt am Montag, dass die Zahl der Hartz-IV-Klagen rückläufig sei. Im ersten Halbjahr 2013 wurden demnach rund 23 000 weniger Widersprüche und rund 5000 weniger Klagen als im Vorjahreszeitraum registriert. Insgesamt zählte man bis zur Jahresmitte 272 990 neue Widersprüche und 55 070 neue Klagen. BA-Vorstand Heinrich Alt jubelte: »Die Trendwende ist geschafft.«

Doch in der Nürnberger Behörde ist man vorsichtiger. »Die Sonderauswertung betrifft nicht alle Jobcenter«, so eine BA-Sprecherin gegenüber »nd«. Erfasst wurden nur Ämter, die die BA gemeinsam mit den Kommunen betreibt. Die mehr als 100 Jobcenter in rein kommunaler Verwaltung wurden nicht berücksichtigt. Gründe für den Rückgang könnten die geringere Anzahl der Gesetzänderungen und kundenfreundliche Bescheide sein. »Die Formulierungen sind nun verständlicher«, so die Sprecherin. In den vergangenen drei Jahren wurden über 180 Dokumente, darunter auch Bewilligungsbescheide der Jobcenter, überarbeitet und in eine einfachere Sprache gebracht.

Richter Marcus Howe, Pressesprecher beim größten deutschen Sozialgericht in Berlin, bleibt gegenüber »nd« vorsichtig. »Die Klagezahlen sind tatsächlich leicht rückläufig, aber ob dieser Trend bis zum Ende des Jahres anhält, müssen wir abwarten.« Immer wieder gebe es Monate, in denen besonders viele Klagen eingingen, hat Howe beobachtet. Ohnehin bedeuteten die rückläufigen Zahlen keine Entlastung für das Gericht, so Howe. »Wir haben hier 42 000 nicht erledigte Verfahren«. Dies sei aber nicht Schuld der Richter. »2012 hatten wir hier einen traurigen Rekord mit mehr als 44 000 neuen Klagen.« Davon betraf die Mehrzahl Hartz IV. Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma hatte bereits Anfang des Jahres die Ursachen für die Klageflut benannt: schlampige Hartz-IV-Gesetze und fehlerhafte Bescheide vom Amt.

Ob die am Montag bekannt gewordenen Reformvorschläge einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe da Abhilfe schaffen können, darf bezweifelt werden. Die »AG Rechtsvereinfachung im SGB II« hat Vorschläge gesammelt, die im November der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) vorgelegt werden sollen. Der Wuppertaler Sozialrechtsexperte Harald Thomé hat die entsprechenden Papiere nun veröffentlicht.

Demnach soll der bisherige Mehrbedarf für Alleinerziehende an einen Job gekoppelt werden. Alleinerziehende ohne Arbeit hätten so zwischen 138 Euro und 229 Euro weniger im Monat. Auch sollen sich Hartz-IV-Betroffene bei ihren Stromversorgern outen, damit diese die Jobcenter informieren können, wenn Sperren drohen. Eine Gerichtsgebühr für Hartz-IV-Bezieher, die gegen Bescheide klagen wollen, ist ebenfalls wieder einmal im Gespräch. Bislang sind solche Klagen für die Betroffenen kostenlos.

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