Metallbox statt Sparbuch

In Afrika sammeln Menschen ihr Geld in geheimen Gruppen - Transparenz inklusive

  • Britta Pedersen, Maxixe
  • Lesedauer: 4 Min.
In Deutschland hat fast jeder ein Sparkonto. In Afrika gehen viele einen anderen Weg - und organisieren sich heimlich in Gruppen.

Im Schatten eines Mangobaums wiegen sich 20 Frauen und Männer im Tanz und singen. Niemand soll ihren Gesang hören - denn der handelt vom Geld. Heimlich trifft sich die Gruppe jeden Dienstagmorgen, versteckt hinter geflochtenen Palmwedeln in der mosambikanischen Stadt Maxixe. Die Gruppe hat sich den Namen Korula gegeben - Frieden. Es ist eine von unzähligen Spargruppen Afrikas.

In Deutschland wird man von Kindesbeinen an mit Sparschwein und -buch an Banken gewöhnt. Im vielen Ländern Afrikas haben die Menschen dagegen kaum Chancen, ein Konto zu eröffnen. Große Beträge können sie ohnehin nicht einzahlen, das Vertrauen zu Banken ist gering, der Weg weit. Viele sind Analphabeten. Dennoch hat sich eine Sparkultur entwickelt - in Europa wäre sie undenkbar.

Die Korula-Mitglieder lassen sich auf Bastmatten nieder. In ihrer Mitte steht eine rostbraune Metallkiste - darin ihre gesamten Ersparnisse. Zuerst wird nachgezählt, ob noch alles da ist. Einer hält Münzen und Scheine in die Höhe, leise zählen alle mit. Rund 37 000 Metical haben sich angesammelt, etwa 925 Euro. Die Präsidentin der Gruppe, Felizarda Francisco, teilt jedem sein Sparheftchen zu. Säuberlich ist jede Einzahlung mit einem blauen Stempel in vorgegebenen Spalten dokumentiert. Alle haben sich zu einem regelmäßigen Betrag verpflichtet, jeder hat ein Ziel.

Jetzt wird reihum eingezahlt. Das Ritual ist ein Beispiel für volle Transparenz. Jeder reicht der Schatzmeisterin seinen Betrag und das Heftchen. Sie stempelt es unter den Augen aller ab - wenn jemand sein Sparziel erreicht hat, wird geklatscht.

Durch eine Zaunlücke schlüpft eine Nachzüglerin, ein Baby auf dem Rücken. Sie hat ein paar Münzen in der Hand, denn jede Verspätung kostet, ebenso wie Dazwischenreden oder andere Regelverletzungen. Die Mitglieder nehmen die Strafen in Kauf - denn sie kommen allen zugute. Aus dem roten Extrabeutel wird Unterstützung bei Notfällen, Krankheiten oder Beerdigungen geleistet.

»In der Gruppe fühle ich mich, als hätte ich eine neue Familie gefunden«, sagt Francisco. Als sie einmal schwer krank war, hatte sie große Probleme, die Behandlung zu finanzieren. Nun kann sie medizinische Hilfe aus dem roten Beutel bezahlen.

Bei der Gründung der Gruppe half Manuel Tangue Augusto. Der 44-jährige Vizepräsident der Hilfsorganisation Kukula sitzt in seinem Büro in Maxixe. Er hat nach seiner Schilderung bereits 430 Spargruppen allein in der Region zum Start verholfen. »Das Wichtigste ist am Anfang, dass eine Gruppe ihre Regeln festlegt«, sagt Augusto. Dann können sie die mit drei Vorhängeschlössern gesicherte Metallbox kaufen. Drei Mitglieder haben unabhängig voneinander einen Schlüssel - ein vierter trägt die Verantwortung für die Box.

Wichtig ist, dass die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe im Umfeld geheim bleibt. Das funktioniert, sagt Augusto - denn die Spargruppen sind für viele lebenswichtig. Mit dem Geld aus der Kiste kann die Gruppe Kleinkredite gewähren. Aber davon habe der einzelne nur etwas, wenn nicht zu viele Freunde und Verwandte auf sein Geld schielten. Vor jedem Kreditantrag stimmt die Gruppe ab, ob die Ausgabe unterstützt werden soll.

In Mosambik gibt es laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bis zu 6000 Spargruppen mit über 100 000 Mitgliedern. Schon vor einigen Jahren wurde ihr Gesamtsparbetrag auf umgerechnet rund 1,8 Millionen Euro geschätzt. »Ich würde sagen, dass durchaus weite Teile der Bevölkerung profitieren«, sagt die bei der GIZ für Finanzsysteme zuständige Katharina Braun. In vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas haben sich Menschen so zusammengeschlossen.

In einem Hinterhof in Maxixe sitzt eine andere Gruppe - die 41-jährige Mariza Andro ist hier Mitglied. Sie verkauft auf dem Markt Tomaten. »Seitdem ich Kredit bekommen kann, laufen die Geschäfte besser.« So kann sie größere Mengen einkaufen und die Tomaten günstiger anbieten. Xavier Mehimra hütet die Sparbox. »Es ist zu schwer, allein Geld zu sparen«, sagt der Tischler. Er hofft, besseres Material und Werkzeug kaufen zu können.

Spargruppen sind in Afrika seit langem tief verwurzelt. Das System mit den Boxen sei vor 15 Jahren in Ghana entwickelt worden, sagt Augusto.

Die Mittagshitze steigt, während die Gruppe unter dem Mangobaum ihr Sparritual zu Ende bringt. In den vergangenen zwei Stunden ist die Sparsumme wieder um ein paar Metical gewachsen. Die Frauen und Männer falten die Hände und sprechen ein Abschlussgebet. dpa/nd

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