Lügen hatten schnelle Beine

Urteil im Dopingfall: Stefan Schumacher hat seinen Teamchef Hans-Michael Holczer nicht betrogen

  • Andreas Zellmer, Stuttgart
  • Lesedauer: 2 Min.
Trotz Freispruch bleibt klar: Radprofi Stefan Schumacher hat gedopt und gelogen. Mitschuld an Lug und Trug bei Gerolsteiner trug nach Ansicht des Gerichts aber auch Teamchef Hans-Michael Holczer.

Bei seiner letzten Tour de France 2008 setzte Stefan Schumacher den treuen Dackelblick auf - und log. Doping? Niemals! Lügen hatten schnelle Beine - manche schienen ihm aber auch zu glauben. Das war alles ein falsches Spiel, der Radprofi aus Nürtingen hat Doping inzwischen gestanden, und sein früherer Teamchef Hans-Michael Holczer ist vom Landgericht Stuttgart in gewisser Weise in Mithaftung genommen worden.

Die Staatsanwaltschaft hatte Schumacher angeklagt, im ehemaligen Gerolsteiner-Rennstall Teamchef Holczer hintergangen und sich als nachweislich gedopter Athlet bei drei Gehaltszahlungen 2008 einen »rechtswidrigen Vermögensvorteil« erschlichen zu haben. Die 16. Große Strafkammer urteilte nun am Dienstag, Schumacher habe seinen ehemaligen Chef nicht zweifelsfrei betrogen. Holczer, der lange Zeit als Mann mit weißer Weste galt, streitet eine Mitwisserschaft weiter kategorisch ab.

Schumacher aber waren schon früh Dopingvorwürfe gemacht worden. 2005 war er bei der Rundfahrt in Rheinland Pfalz mit dem stimulierenden Wirkstoff Cathin aufgefallen - der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) sprach ihn frei. 2007, bei der Straßen-WM in Stuttgart, wurde er Dritter, obwohl er wegen eines erhöhten Hämatokritwertes hätte gar nicht am Start stehen dürfen. BDR und Weltverband hatten keinen Grund zum Einschreiten gesehen. Sportrechtliche Konsequenzen ergaben sich auch nicht, als bei einem von Schumacher verursachten Autounfall 2008 Spuren von Amphetaminen in seinem Blut gefunden wurden. Der Wirkstoff wurde außerhalb des Wettkampfs nicht als Doping gewertet.

Im Februar 2009 wurde es dann ernst für Schumacher. Die französische Antidoping-Agentur sperrte ihn wegen eines positiven Tests auf das Blutdopingmittel CERA bei der Tour 2008 für zwei Jahre. Im April 2009 teilte der BDR mit, dass auch eine Nachkontrolle bei Olympia in Peking einen positiven CERA-Nachweis erbracht hatte. Schumacher versuchte lange, sich sportjuristisch zu wehren.

Im Interview mit dem »Spiegel« im März 2013 hatte er erstmals die Einnahme von EPO, Wachstumshormon und Kortikosteroiden zugegeben. Bereits mit Anfang 20 habe er mit leistungssteigernden Substanzen begonnen. Im Team Gerolsteiner sei Holczer von der Dopingpraktik seines erfolgreichsten Profis »bestens im Bilde« gewesen. Der folgende Prozess in Stuttgart war ein Präzedenzfall, weil sich noch nie ein deutscher Radprofi in Zusammenhang mit Doping vor einem Strafgericht verantworten musste. Und ohne den Prozess hätte es die Beichte wahrscheinlich nie gegeben.

Nach Ablauf seiner Sperre im September 2010 fand Schumacher ausschließlich Beschäftigung in unterklassigen Teams. Ein Aufstieg für den Gebrandmarkten, dem man seine Reue nicht so recht abnehmen mag, scheint wenig wahrscheinlich. »Noch einmal die Tour«, dürfte ein unerfüllter Wunschtraum bleiben. dpa

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