Die Sorgen des Aladdin Abu Sitta

Israel lässt Gefangene frei und treibt Landraub voran

  • Vera Macht
  • Lesedauer: 3 Min.
Israel entlässt palästinensische Gefangene - und treibt den illegalen Siedlungsbau weiter. Gegen Letzteres gab es am Freitag auch Protest aus Deutschland.

Die Bundesregierung hat Israel aufgefordert, auf den Bau Tausender Siedlerwohnungen in Ostjerusalem und im Westjordanland zu verzichten. Man sei »sehr besorgt über die Pläne«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.

Israels Regierung hatte in der Nacht zum Mittwoch eine zweite 26-köpfige Gruppe von palästinensischen Gefangenen freigelassen. Zur Besänftigung rechter Kritiker förderte sie gleichzeitig ein internationalem Recht widersprechendes Bauprojekt in Ost-Jerusalem. Eine erste Gruppe von ebenfalls 26 Gefangenen war Mitte August freigelassen worden - eine vereinbarte Vorleistung für die Wiederaufnahme israelisch-palästinensischer Friedensverhandlungen.

Zu den im August Freigelassenen gehörte Aladdin Abu Sitta aus Gaza. Er hatte 19 Jahre in israelischer Gefangenschaft verbracht. Abu Sitta war zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung 24 Jahre alt und Mitglied des militärischen Flügels der im Westjordanland regierenden Fatah. Er war zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Abu Sitta weiß, wie es ist, die Nachricht von der bevorstehenden Entlassung zu bekommen, wenn man glaubte, den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen zu müssen. »Ich konnte mich anfangs gar nicht freuen«, sagt er leise. »Ich musste an meine Freunde denken, die ich im Gefängnis zurückließ, während ich frei sein würde.« Jetzt muss er sich an eine Welt gewöhnen, die sich rasant verändert hat. »Ich bin anderen Menschen kulturell und politisch 20 Jahre hinterher«, erzählt er. »Es fällt mir noch immer schwer, mich anzupassen.« Abu Sitta hatte gehofft, mit dem neuen Deal würden auch Freunde von ihm freigelassen, aber er wurde enttäuscht.

Mahmoud Sarsak, ein palästinensischer Fußballer, der drei Jahre ohne Anklage in sogenannter Administrativhaft im israelischen Gefängnis verbrachte, sieht die neuerliche Gefangenenfreilassung durch Israel kritisch. »26 Häftlinge kommen frei, aber der Preis dafür ist hoch«, sagt der 27-Jährige, der mittlerweile in London lebt. »Gleichzeitig beschließt Israel den Bau von bis zu 1700 neuen Wohneinheiten in den besetzten Gebieten. Das sind keine Grundlagen für Friedensverhandlungen.« Sarsak selbst war nach einem 94-tägigen Hungerstreik auch dank internationaler Solidarität entlassen worden. Er erzählt von unmenschlichen Haftbedingungen, von Folter.

Derweil forciert Israel den Siedlungsbau. Unter Berufung auf einen Abgeordneten der Likudpartei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berichtete die Zeitung »Haaretz« am Donnerstag sogar von über 3360 zusätzlichen Siedlerwohnungen, deren Planung beschleunigt werde. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierte das. Der Siedlungsbau sei »nach internationalem Recht illegal«. Auch Washington bekräftigte die grundsätzliche Ablehnung der israelischen Siedlungspolitik. »Diese Schritte sind nicht geeignet, ein positives Verhandlungsklima zu schaffen«, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki.

Auf israelischer Seite hatte die Ankündigung der Freilassung palästinensischer Gefangener Empörung hervorgerufen. Vor dem Militärgefängnis Ofer am nördlichen Stadtrand Jerusalems fanden sich tagelang Demonstranten ein, neben Angehörigen von Attentatsopfern auch Bauminister Uri Ariel von der nationalreligiösen Siedlerpartei »Jüdisches Heim«. Sie riefen »Tod den Terroristen« und schwenkten Plakate.

Insgesamt sind immer noch rund 5000 Palästinenser in Israel inhaftiert.

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