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Das Ansehen der Werte

»Painting Forever« - vier Berliner Kunsthäuser feiern die Malerei - Wozu?

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 5 Min.

Als seien sie ein vierblättriges Kleeblatt und somit Glücksbringer beim Sich-Behaupten in der immer unübersichtlicher werdenden Kunstwelt: Vier wichtige Berliner Kunstinstitutionen haben sich als - ach ja, es heißt leider nun einmal so - Kooperationsprojekt zusammengeschlossen. »Painting Forever!« lautet werbend schwärmerisch sein Titel. Er signalisiert den Verbund mit dem Kunstmarktplatz Berlin Art Week Mitte September. Sie gab (nicht nur) das Datum für den Auftakt des Projekts vor. Auf Englisch, natürlich, denn Berlin soll, was seine Attraktivität für Kunstinteressierte angeht, nicht Provinz sein, sondern so anziehend wie beispielsweise London. Oder New York.

Paris wird von den Veranstaltern dabei ebenso als Bezugsgröße angegeben. Paris aber spielt nach wie vor in einer anderen Liga. Und, nebenbei, dort würde ein Ausstellungstitel niemals dem Englischen huldigen. Das fällt den »Painting«-Machern natürlich nicht ein. Egal, Hauptsache nicht deutsch, sondern international. Weltstadt der Künstler ist Berlin den Zahlen nach seit Jahren, einen derart starken Zustrom an Kreativen gibt es nirgendwo anders. Es wird produziert und produziert. Da hat man was zu zeigen. Aber der Kunstmarkt schwächelt hier wie deutschlandweit.

Dieses Vierer-Konstrukts, des mit Ausrufezeichen versehenen, bedurfte es wohl vor allem für den Anschub der Berlin Art Week (finanziert vom Berliner Wirtschaftsressort). Berliner Kultursenat, Berlinische Galerie, Neue Nationalgalerie und die Kunstwerke in der Auguststraße spannen sich die Idee aus, holten sich später noch die KunstHalle in der Deutschen Bank dazu - mit Letzterer ließ sich gut eine Notgemeinschaft bilden: Geld gegen Renommee und umgekehrt. Wurde Malerei lange als Anachronismus angesehen, gibt man sich jetzt endlich als aus der Verirrung aufgewacht. Denn der Kunstmarkt goutiert Malerei unentwegt - der Kometenschweif der sogenannten Neuen Leipziger Schule beispielsweise war und ist immer noch unübersehbar. So soll das, was nur irgend der Keilrahmen hergibt, auch von diesen etablierten Institutionen mal gespiegelt werden.

In den Kunstwerken, d.h. des KW Institute for Contemporary Art, versammeln sich unterm wörtlich genommenen »Keilrahmen«-Motto 70 Werke von Gegenwartskünstlern, die in Berlin gearbeitet haben - vor Jahren waren die Kunstwerke der Anlaufpunkt, hier begründete sich der Ruf, Berlin sei ein einziger Kunstboom schlechthin. Zu den 70 mehr oder weniger das klassische Tafelbild repräsentierenden Arbeiten zählen auch solche von schaffenden Leuten, die gerade oder immer noch ihre Zelte auf dem vielversprechenden deutschen Metropolenpflaster aufgeschlagen haben.

Sie bilden auf der Blickfront eine Bilderwand, die aussieht wie ein Quilt. Keine Flachware. Interessant zusammengestückelt, ist sie eine Art Rechenschaftsbericht, was in den letzten rund fünfzehn Jahren bei den Kunstwerken so abging und ein die Spannweite des Malerischen ausbreitender Musterbogen. Wenn der Betrachter vor diesem Augenfutter steht, bekommt er geistiges Rüstzeug fürs Sehen, Begreifen: mittels einer Argumentationshilfe quasi hinterrücks, nämlich durch an der Raumwand hinter ihm angebrachte Spruch- und Zitatbänder, wo gefragt und erklärt wird - sich und den anderen -, was Malerei ist. Das ist dann mal gerade nicht Malerei. Immerhin, man braucht längere Zeit zum Lesen als zum Bilderanschauen. Und ist daher nicht so schnell aus dem Haus hinaus wie aus der Neuen Nationalgalerie.

Diese hat vier große Namen aufs Panier genommen. Wenngleich die Schau in einem Eck der großen Halle »BubeDameKönigAss« betitelt ist - es gibt keine Dame, es sind vier Männer, die in ihrem jeweiligen Untereck am Thema Malerei mitmischen: mal ironisch (Anselm Reyle), mal mit, ebenfalls bewusst betriebenem, ärgstem Kitsch (Martin Eder), mal die Aura Alter Meister im Utopischen bis Apokalyptischen heranatmend (Michael Kunze), mal per Hin- und Rückspiel von Abstraktion und Figuration (Thomas Scheibitz). Diese 60er-, 70er-Jahrgänge sind bereits Etablierte, Karten, die die Sammler und Kunstpromoter im Ärmel stecken haben (unter den Leihgebern der Ausstellung: die Spitze der weltweit geschäftstüchtigsten Galerien). Siehe da, der Kunstmarkt stellt die Weichen, ob etwas Museumsweihen bekommt. Im »Power-100-Ranking« - der jurierten Liste des britischen Magazins »Art Review«, die jedes Jahr die einflussreichsten Macher der Kunstszene bekanntgibt - ist Nationalgalerie-Chef Udo Kittelmann (immerhin einer der wenigen Museumsleute, die überhaupt auf der Liste auftauchen) gerade um zwölf Stellen abgerutscht. Welch Zufall.

In der Berlinischen Galerie, einer weiteren Station des gedachten Ausstellungsparcours, hat der international erfolgreiche Franz Ackermann eigens für deren hohe, schmale Halle ein gigantisches Landschaftsbild in Szene gesetzt, ein farbstarkes, geradezu knalliges Manifest kontra Massenmedien-Bilderflut, eine kritische Simultanschau der Globalisierung, insbesondere des Verfalls urbaner Räume. »Hügel und Zweifel«, so der Titel, sind mehrschichtig aufgebrachte Tafelbilder-Assemblagen, deren Puzzlehaftigkeit mit großräumiger Wandmalerei in der Art von Bühnenbildern zusammengehalten wird. Ein schnell vergänglicher Reiz.

Lange nachdenklich machend, intellektuell fordernd und tief berührend hingegen die Ausstellung in der DB-KunstHalle »To Paint is to Love Again«. Drei Künstlerinnen, ebenfalls der 60er/70er-Generation zugehörig, haben sich überwiegend unmittelbar vom Spätwerk der zu unrecht wenig bekannten Berlinerin Jeanne Mammen (1890-1976) inspirieren lassen. Katrin Plavčak, Giovanna Sarti, Antje Majewski nehmen auf formal und inhaltlich ganz verschiedene Weise einen Dialog mit Mammens Malerei auf. Die verschiedensten Facetten der Auseinandersetzung, im Materialtechnischen wie in der Haltung zu historischem und zum aktuellen Zeitgeschehen, ergeben durch Gegenüberstellung mit Werken der Mammen einen Ausweis dessen, was Malerei sein kann - und sollte. Ein Glücksfall für die Hausherren, müssen sie doch nach der Trennung von der Guggenheim-Familie ihr Überlebenspotenzial demonstrieren.

Die Kunst ist ein Januskopf, und sei sie noch so hehr, sie ist so viel pure Ästhetik wie - verleugnet ebenso wie verschämt oder protzig zugegeben - blankes Geschäft. Man mag es ignorieren, kaschieren, idealisieren, der Besucher mag so viele Erlebnisse, Erkenntnisse, Anregungen mit nach Hause genommen haben, wie er will, es bleibt immer ein Grundzug dessen, wozu der Vierer-Kleeblatt-Auftritt da ist, ob direkt oder indirekt, für: Kommerz forever!

Painting Forever!

Berlinische Galerie: »Hügel und Zweifel« - Franz Ackermann. Bis 31.3.2014

Deutsche Bank KunstHalle: »To Paint is to Love Again« - Jeanne Mammen, Antje Majewski, Katrin Plavcak, Giovanna Sarti. Bis 10.11.2013

KW Institute for Contemporary Art: »Keilrahmen« - 70 Künstler (von Nader Ahriman bis Claudia Zweifel). Bis 10.11.2013

Neue Nationalgalerie: »BubeDameKönigAss« - Martin Eder, Michael Kunze, Anselm Reyle, Thomas Scheibitz. Bis 24.11.2013

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