Der seit langem im Kreuzfeuer der Kritik stehende Chef des Erfurter Flugplatzes, Gerd Ballentin, hat das Handtuch geworfen und quittiert seinen Posten. Bis ein Nachfolger gefunden ist, soll er aber noch weiterarbeiten.
In einer Krisensitzung der Flugplatz-Gesellschafter habe er seinen Rücktritt angeboten, der auch angenommen worden sei, hieß es in Erfurt lapidar. Diese offizielle Erklärung glaubt in der Landeshauptstadt allerdings kaum jemand. Vielmehr wird vermutet, der Rücktritt sei eher ein Rausschmiss, mit dem die Landesregierung, die 95 Prozent der Gesellschafteranteile hält, die Flucht nach vorn versucht. Offenbar ist nicht nur für Ballentin sondern auch für sie der Boden inzwischen zu heiß geworden. Die zunehmend größer werdende Krise war durch anonyme Briefe frustrierter Mitarbeiter ausgelöst worden, in denen schwere Vorwürfe gegen den Flugplatzchef erhoben worden waren. Von systematischem Mobbing und manipulierten Fluggastzahlen war da unter anderem die Rede. Ballentin soll danach auch lukrative Werbeverträge für 100 000 Euro an Verwandten vergeben haben.
Der Beschuldigte stritt alles ab und reagierte mit Strafanzeigen, unter anderem gegen den Abgeordneten der Linksfraktion.PDS, Benno Lemke. Den Informanten drohte er mit Regressforderungen. Da hatte aber die Erfurter Staatsanwaltschaft schon Ermittlungen wegen Untreue gegen den Flugplatzchef aufgenommen und eine polizeiliche Durchsuchung des Flughafens veranlasst.
Das Land stellte sich dennoch hinter Ballentin und wies Forderungen der Opposition nach dessen Entlassung zurück. Dass just zu diesem Zeitpunkt Wirtschafts-Staatssekretär Roland Richwien den Posten des Aufsichtsratschefs räumte, galt in Erfurt allerdings als Indiz, dass allen Dementis zum Trotz an den Vorwürfen »etwas dran sein muss«.
Die Opposition forderte von der Regierung, klare Verhältnisse zu schaffen, und beschloss gegen die Stimmen der CDU-Mehrheit im Landtag einen Untersuchungsausschuss. Der habe sich mit dem Rückzug Ballentins nicht erledigt, betonte Lemke in einer Presseerklärung. Er müsse vielmehr klären, welche Rolle die Landesregierung in der Sache gespielt habe.
Das könnte eine höchst peinliche Angelegenheit werden. Dem Rückzug Ballentins war wiederum ein Brief vorausgegangen. Diesmal an Verkehrsminister Andreas Trautvetter (CDU). Der war nicht anonym, sondern von einem engen Mitarbeiter Ballentins in der Flugplatzleitung unterschrieben. Darin soll bestätigt worden sein, dass Passagierzahlen manipuliert wurden, um mehr Landesmittel für das unwirtschaftliche Unternehmen zu erhalten.
Dabei geht es nicht um Kleingeld. Nach Angaben der Linkspartei fließen Jahr für Jahr zehn Millionen Euro an Steuergeldern in das Unternehmen. Mit weiteren 3,5 Millionen Euro werden Fluglinien subventioniert. Der Erfurter Flugplatz ist eines der Fässer ohne Boden, in denen die Thüringer Steuergelder verschwinden.
In den letzten Dezembertagen hatte Ballentin in einem Interview mit der Südthüringer Regionalzeitung »Freies Wort« noch alle Vorwürfe als völlig haltlos zurückgewiesen. Nach seiner Lesart mussten sich die Briefschreiber auch nicht aus Angst vor Entlassungen in die Anonymität zurückziehen, weil der Flugplatz ein Betrieb des öffentlichen Dienstes sei. Ohne zu ahnen, zu welchen Assoziationen seine Worte später führen würden, betonte Ballentin: »Wer hier entlassen wird, muss schon goldene Löffel geklaut haben.«
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