Am Alex droht Ärztemangel

Patienten wollen das Haus der Gesundheit erhalten

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Dem Haus der Gesundheit in Mitte droht die Schließung. Doch die Patienten wehren sich und übermittelten dem Senat ihr Forderungen.

Jetzt ist es offiziell: Der Klinikkonzern Sana will das Haus der Gesundheit in Mitte aufgeben und 21 Arztstellen zum 1. Juli 2014 an ein neues Gesundheitszentrum am Unfallkrankenhaus Marzahn (UKB) verlagern. Der Antrag dafür sei beim Zulassungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gestellt worden, teilte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Donnerstagnachmittag vor hunderten meist älteren Patienten im Kino Babylon mit.

Die waren teilweise mit einem Busshuttle vom Haus der Gesundheit an der Karl-Marx-Allee herübergekommen, um für den Erhalt ihrer Einrichtung einzutreten. 5000 Unterschriften dafür konnten an den Senator übergeben werden. Der machte erst mal klar, dass für die Verteilung der Arztsitze in der Stadt nicht der Senat, sondern die KV mit der Zulassungsstelle zuständig ist. Und die könne eine Verlagerung in medizinisch schlechter versorgte Bezirke kaum ablehnen. »Wenn ich Ihr Viertel mit Marzahn vergleiche, ist ein Umzug möglich und auch bei einer kleinräumlichen Planung nicht zu verhindern«, sagte Czaja, »wohlwissend, wie unbefriedigend das für Sie ist«.

Womit er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Denn die betagten Anwohner des Hauses der Gesundheit interessierte weniger die klein- oder großräumige Planung, sondern wo sie künftig einen Arzt finden werden. Und da sieht es nicht gut aus. Überall habe sie zu hören bekommen, dass keine neuen Patienten mehr angenommen würden, schilderte eine ältere Dame. »Und ich brauche nicht nur einen Arzt.« Wenn Mitte so überversorgt mit Ärzten sei, »warum nimmt uns dann keiner auf?« fragte ein Mann im Rollstuhl. Es sei einmalig, dass 21 Arztstellen auf einmal wegfallen sollen.

Unterstützung bekamen sie von der LINKE-Abgeordneten Carola Bluhm, die um das Gesundheitshaus ihren Wahlkreis hat. Sie habe sich an Axel Ekkernkamp, Chef des UKB und damit künftiger Betreiber, gewandt und gefragt, ob dann die Ärzte aus Marzahn Hausbesuche in Mitte machen würden. Am Haus der Gesundheit werde deutlich, dass die Kriterien für die Berechnung der Arztstellen nicht die reale Situation abdeckten. Bluhm verwies darauf, dass das Gesundheitszentrum an einen Standort verlagert werden soll, wo es 1,5 Kilometer entfernt schon eins gebe. Das Haus der Gesundheit dagegen ist die letzte Einrichtung dieser Art an Alexanderplatz und Karl-Marx-Allee, seitdem das Ärztehaus in der Schillingstraße geschlossen wurde. »Wir können nicht einen Mangel in Marzahn mit einem neuen beheben.«

Einige bei der Sana angestellte Ärzte wollen im Haus der Gesundheit bleiben. »Wenn ich nach Marzahn gehe, verrate ich meine Patienten«, sagte der Urologe Jakov Steiman. Die Gynäkologin Barbara Müller - »ich bin die letzte Gynäkologin am Alex« - richtete einen flammenden Appell an den Zulassungsausschuss, das Haus der Gesundheit zu erhalten. Der Vorschlag der Sana-Geschäftsführung, die Patienten auf umliegende Praxen zu verteilen, sei zynisch und unrealistisch. Sie verwies auf Untersuchungen, wonach das Gebiet um das UKB etwa mit Hausärzten, Urologen oder Internisten wesentlich besser versorgt sei als das um das Haus der Gesundheit.

Manche Besucher im Saal mutmaßten, dass die Verlagerung der Arztplätze zum UKB etwas mit der persönlichen Freundschaft zwischen UKB-Chef Ekkernkamp und Czaja zu tun haben könnte. »Sie sollten sich mehr um die Patienten als um Sana kümmern«, forderte eine Frau den Senator auf. Der versprach, gemeinsam mit allen Beteiligten nach Lösungen zu suchen, auch für Ärzte, die am Standort bleiben wollen. Bluhm hat den Eindruck, dass die Sorgen der Patienten von der KV ernst genommen werden. Laut Sprecherin Susanne Roßbach ist man bei der KV zuversichtlich, dass der Zulassungsausschuss eine Lösung findet, »die dem Wohl der Patienten dient«.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal