Das Lachen des Frohsinnsfunktionärs

In Karneval- und Fastnachtsvereinen geht es nicht selten recht verbissen zu - ein Blick nach Mainz vor dem 11.11.

  • Robert Luchs, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist ein Irrtum zu glauben, Narren seien eine verschworene Gemeinschaft, die sich blind versteht und keinen Streit kennt. In Mainz jedenfalls gab es unter anderem Krach wegen interner Vereinsaufträge.

Unüberhörbar laut ertönen alljährlich die Fanfaren beim bunten Aufmarsch der Mainzer Fastnachtsgarden. Sie geben traditionell den Auftakt zur sogenannten Fünften Jahreszeit in Mainz, der Hochburg der fröhlichen Fastnacht. Dem Höhepunkt mit Umzügen und Saalsitzungen der traditionsreichen Vereine wie MCV und MCC steuert das närrische Treiben zwar erst zu Beginn des kommenden Jahres zu, doch am 11. November ertönt der Weckruf für alle Narren und Korporationen. Die Monate davor gehören der Vorbereitung: Büttenreden müssen geschrieben, Tänze einstudiert, die Wagen für den Rosenmontagszug geplant und gebaut werden. Am 11.11. um 11.11 Uhr verliest der Mainzer Oberbürgermeister vom Balkon des Osteiner Hofes die elf Fastnachtsgesetze. Der Startschuss für den Sitzungskarneval fällt dann nach dem Umzug der Garden an Neujahr. Von da an steigert sich das Mainzer Fastnachttreiben von Woche zu Woche, bis es am Rosenmontag mit dem kilometerlangen Umzug und Zuschauern aus ganz Deutschland seinen Höhepunkt erreicht.

Es ist allerdings ein Irrtum zu glauben, Narren seien eine verschworene Gemeinschaft, die sich blind versteht und keinen Streit kennt. In ihren vorbereitenden Sitzungen und Generalversammlungen sieht es nicht selten ganz anders aus. Beim Mainzer Carneval Verein beispielsweise ging es vor kurzem nicht ohne Hauen und Stechen ab. Horst Mundo, dessen Familie seit fünf Generationen mit dem Traditionsverein verbunden ist, hatte kritisiert, der inzwischen wiedergewählte MCV-Präsident Richard Wagner habe seine Interessen als Juwelier mit denen des Vereins vermengt. Aber auch Mundo war in seiner Funktion als Schatzmeister unter Beschuss geraten: Es ging um umstrittene vereinsinterne Auftragsvergaben.

Nach einer turbulenten Generalversammlung hieß es, die Konflikte seien für den MCV erledigt. Doch konnte sich Horst Mundo, der im Frühjahr vom Amt des Schatzmeisters zurückgetreten war, die Bemerkung nicht verkneifen, jene 56 Prozent der Stimmen, mit denen Wagner im Amt bestätigt worden war, seien ja kein besonders gutes Ergebnis. Mundo hatte sich nach der letzten Kampagne auch aus der Bütt zurückgezogen, in der er über viele Jahre sein »närrisches Protokoll« verlesen hatte. Bei der Generalversammlung des MCV war auch Jürgen Dietz in die Kritik geraten, der Millionen Fernsehzuschauern als »Der Bote vom Bundestag« bekannt geworden ist. Ehrenpräsident Werner Mundo, Bruder von Horst Mundo, hatte Dietz vorgeworfen, er schweige zu den Vorwürfen gegenüber dem Präsidenten Richard Wagner. Dietz wurde dennoch als Vizepräsident im Amt bestätigt. MCV-Präsident Wagner hat angekündigt, die geschäftlichen Beziehungen im Verein künftig klar regeln zu wollen. So soll ein Beirat eingerichtet werden, der Konflikte im Verein schlichtet und den Vorstand berät.

Zwei Tage vor Beginn der Fastnacht soll in Mainz auch einer der Großen in der Narrenschar geehrt werden: Herbert Bonewitz bekommt zu seinem 80. Geburtstag das Mainzer Stadtsiegel überreicht. Bonewitz geißelte als scharfzüngiger Redner die Eitelkeiten der sogenannten Fastnachts-Größen und »Frohsinnsfunktionäre«. Sein Spott und hintersinniger Wortwitz waren gefürchtet und ließen manchem Narren das Lachen im Halse stecken bleiben - und es dauerte lange, bis Bonewitz mit den Offiziellen der Fastnacht seinen Frieden gemacht hatte.

In der Fernseh-Fastnacht »Mainz wie es singt und lacht« erfreute sich Bonewitz als »Prinz Bibi« bei den Zuschauern großer Beliebtheit. In 1983 schied er aus der Fastnacht aus - »beziehungsweise wurde ausgeschieden«, wie er ironisch bemerkte. Wenn er heute Lesungen hält oder auf der Mainzer Kleinkunstbühne »Unterhaus« auftritt, dann ist der Saal bis auf den letzten Platz besetzt.

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