»Wie die Immobilienhaie«

Senat verspricht Tempelhofer Feld ohne Baustellen - doch die Bagger rollen schon

  • Ben Mendelson
  • Lesedauer: 3 Min.
In dieser Woche begann der Senat mit den Bauarbeiten für das geplante Regenrückhaltebecken auf dem Tempelhofer Feld. Der BUND beantragte beim Verwaltungsgericht per Eilantrag einen Baustopp.

»Ich kenne diesen ganzen Schwindel«, sagt Hermann Barges von der Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld« (THF 100). Seit Jahrzehnten ist er als Landschaftsarchitekt und Raumentwickler aktiv, hat zahlreiche Regierungen beraten und Hunderte Bauvorhaben realisiert. Doch das Vorgehen auf dem Tempelhofer Feld vonseiten des Senats hält er für »das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit«. Am Mittwoch wurden auf dem Feld großflächig Bauzäune auf dem Gebiet aufgestellt, wo nach dem Willen des Bausenators Michael Müller (SPD) ein »Regenrückhaltebecken« entstehen soll. Bagger begannen bereits, den Boden auszuheben, wie Aktivisten von THF 100 auf der Videoplattform YouTube dokumentieren.

Dabei hatte Müller zuvor mehrfach erklärt: »Wir werden keine Baumaßnahmen einleiten in der Phase der Unterschriftensammlung.« Ähnliche Äußerungen waren von den Staatssekretären der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zu hören. Das Problem dabei: Die Unterschriftensammlung für den Volksentscheid zur Erhaltung des Tempelhofer Feldes läuft noch bis Mitte Januar.

Um die Bauarbeiten noch zu stoppen, hat der Berliner Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nun einen Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht, wie Pressesprecherin Carmen Schultze gegenüber »nd« bestätigte. Die Naturschützer kritisieren die mangelhafte Bürgerbeteiligung und den fehlenden ökologischen Nutzen der geplanten Parkanlage in der Nähe der Hangargebäude, die auf einer Gesamtfläche von rund 70 Hektar ein betoniertes elf Millionen Euro teures Regenrückhaltebecken, einen Rundweg sowie einen Damm umfasst.

Laut BUND greift die Senatsverwaltung mit den Baumaßnahmen für den Park in die naturräumlich wertvollsten Gebiete des Feldes ein und stört so auch diverse geschützte Tier- und Pflanzenarten. Nach geltendem Naturschutzrecht dürfen wertvolle Grünflächen wie auf dem ehemaligen Flugfeld nur dann bebaut werden, wenn eine angemessene Ausgleichsfläche dafür geschaffen wird. Dies umgeht der Senat nach Meinung von BUND und THF 100, in dem er seine Baumaßnahmen um den Park »als naturschutzfachliche und ökologische Aufwertung des Tempelhofer Feldes vermarktet«, kritisiert Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des BUND Berlin. Dass der Park als Ausgleich für Tausende geplante Wohnungen und Gewerbeflächen deklariert wird, ist für Heuser »ein Skandal«.

Gleichzeitig wird von Senatsseite behauptet, zwischen der Anlage um das Wasserbecken und den restlichen Bebauungsplänen bestehe kein Zusammenhang, womit die aktuellen Baumaßnahmen gerechtfertig werden. Am Mittwoch wurde auch ein ehemaliger Unterstand der Feuerwehr abgerissen, hieß es aus dem Umfeld von THF 100. »Wie Imobilienhaie«, ohne Abrissgenehmigung, seien die Verantwortlichen vorgegangen worden, sagte ein Aktivist gegenüber »nd«. Hermann Barges glaubt, dass die Bauvorbereitungen vor allem aus fördertechnischen Gründen begonnen wurden. Denn hätten die Initiativen für den Erhalt des Feldes diese bis zum Jahresende aufgehalten, hätte es nach offizieller Baugenehmigung vom 10. Oktober keine Fördergelder mehr für »Wasserbecken, die Landform, den Rundweg, die Arrondierung und die Erweiterung des muslimischen Friedhofs« gegeben.

Während die Bagger rollten, wurde im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt des Abgeordnetenhauses am Mittwoch lebhaft über die Vorhaben von Bausenator Michael Müller diskutiert. Dieser bemängelte nach einer längeren Diskussion über das Regenrückhaltebecken - für das es deutlich kostengünstigere und aus Sicht des BUND umweltfreundlichere Alternativen gibt - man habe sich anderthalb Stunden mit nur einem Prozent des gesamten Feldes auseinandergesetzt. Tilmann Heuser erwiderte, es gehe viel mehr um 100 Hektar Freifläche, die Müller jetzt schon umgestalten wolle, bevor die Berliner grundsätzlich über die Zukunft des Feldes entschieden haben und eine mit dem Volksentscheid konforme Planung vom Parlament beschlossen wird. Derartige Zahlenspiele des Senats hält Hermann Barges für eines der vielen »Märchen«, die um das Feld erzählt würden. Gegen diese »Märchen« hat THF 100 bereits 53 000 Unterschriften gesammelt.

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