Lauser, Hurzeln und andere Figuren
Fastnachtsbräuche im Schwarzwald lebendig Von Wolfgang Carst
Dornhan, ein altes Städtchen im nördlichen Schwarzwald, verwandelt sich während der Fastnachtszeit in eine Hochburg schwäbisch-alemannischer Narren. Im Gegensatz zu dem eher lustig-albernen Treiben in den Faschingszentren zwischen Mainz und Köln ist die »Fasnet« hier eine durchaus ernste Angelegenheit. Schließlich geht sie auf ur altes, vorchristliches Brauchtum zurück, die Vertreibung des Winters und die Begrüßung des Frühlings.
Der »Lauser«, eine traditionelle Fasnachtsfigur in Dornhan, trägt eine Holzmaske mit den typisch harten, aber auch spitzbübischen Zügen eines Bauerndick schädels. Im 15. Jahrhundert, so die Überlieferung, habe in Dornhan eine Laus die Wahl des Schultheißen entschieden. Da man sich in den damals »lausigen Zeiten« nicht auf einen Kandidaten einigen konnte, kam ein listiger Bauer auf die Idee, eine Laus entscheiden zu lassen: Das Insekt wurde in die Mitte des Tisches gesetzt, an dem die Bewerber Platz genommen hatten, und sollte durch seine Kriechrichtung den künftigen Schultheißen bestimmen. Der Initiator dieses tierischen Votums, wohl wissend, dass Läuse Wärme lieben, hatte sich an das Ende eines Sonnenstrahls gesetzt, der auf den Tisch fiel. Seine Rechnung ging auf - ein echter »Lauser«. Heute trägt der »Fasnet-Lauser« eine Haube mit einer symbolisierten Sonne und zwei Läusen. Über seinem Kittel hängt ein »G›schell« aus vier Riemen mit 28 hell klingenden Glocken. Zum Dornhaner Narrenmarsch »hopsen« die Lauser durch die Gassen des Ortes und verteilen unter dem Fastnachtsruf »Narn, Narro, Dornhaner Lauser - hui dech dech« frische Brezeln an die Zuschauer.
Im benachbarten Bühl tanzen Hexen, Schellenteufel, Hurzeln und andere Fasnachtsfiguren zur Quetschenmusik auf den Straßen. Am Rosenmontag findet im Zentrum der »Närrische Markt« statt. Zuvor, am Abend des Schmutzigen Donnerstags, gibt es einen Umzug, bei dem sich die Narrenschar in Schlafgewändern mit Kerzen, Nachttöpfen und Zipfelmütze durch die Stadt bewegt.
Den Auftakt zur schwäbisch-alemannischen Fastnacht hat es bereits am 6. Januar in Villingen-Schwenningen im mittleren Schwarzwald gegeben. Dort zog am Dreikönigstag das närrische Volk zum Narro-Brunnen am Oberen Tor, um Narro, die wichtigste Figur der Villinger Fasnacht, aufzustellen. »Narri-Narro«, »Hoorig isch die Katz« und »Hex-Hex hui« schallte es durch die Gassen der Fasnachtshochburg.
Am 19 und 20. Februar findet im Dur bacher Ortsteil Ebersweier in der Nähe von Offenburg das traditionelle Reblandtreffen statt, auf dem die längste Tischreihe der Welt, komplett mit »Narren« besetzt, kreiert werden soll. Vielleicht reicht es ja für einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde. Vom »Schmutzigen Dunschdig« bis Aschermittwoch (2. bis 8. März) verwandeln sich im mittleren Schwarzwald am helllichten Tag brave Bürger in Teufel, Dämone, Hexen und Narros. Mit dem ohrenbetäubenden Lärm von Ratschen, luftgefüllten Schweinsblasen, Peitschenknall und Schellenklang, Pauken und Trompeten wollen sie den langen Winter endlich vertreiben und dem herannahenden Frühling ein »Ständchen« bringen.
Den Schlusspunkt setzt das Scheibenschlagen in Schönau im Südschwarzwald am 11. März. Dabei handelt es sich um den wohl ältesten Fastnachtsbrauch im Alemannischen überhaupt, der auf einen Kult zur Wintervertreibung in vorchristlicher Zeit zurückgeht. Kleine quadratische Holzscheiben werden auf Haselzweige gesteckt und in hell brennenden Scheiter häufen auf den Höhen des Schwarzwaldes erhitzt und danach auf Tannenbrettern talwärts geschlagen. Anfangs bekämpfte die katholische Kirche diese Bräuche heftig. Der Heilige Pirmin, Klostergründer von Gengenbach, schrieb bereits 725 eine Epistel gegen die Vermummung. Trotzdem blieben viele dieser Traditionen bis heute lebendig.
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