DGB wählte neuen Vorstand

»Unsichere Beschäftigungsverhältnisse« zentrales Thema der Bezirkskonferenz

Der bisherige Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Dieter Scholz, wurde gestern von den Delegierten der Bezirkskonferenz für die nächsten vier Jahre wiedergewählt. Die Nachfolge von Bernd Rissmann, der nach 15 Jahren nicht mehr für das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden kandidierte, tritt eine Frau an: die 51-jährige Doro Zinke war zuletzt Generalsekretärin der Europäischen Transportarbeiterföderation in Brüssel. Scholz beklagte in seiner Rede die mehr als 700 000 fehlenden Arbeitsplätze in der Region Berlin und Brandenburg. Hinzu komme, dass Berlin inzwischen auch als Hauptstadt unsicherer Beschäftigungsverhältnisse gelte. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Stadt arbeite in ungeschützten, schlecht bezahlten Jobs. Er rief dazu auf, dass die Bekämpfung dieses Problems in den kommenden Jahren im Mittelpunkt der Anstrengungen des DGB stehen sollte. Scholz sprach sich in diesem Zusammenhang auch für Mindestlöhne aus. Dazu passend lag den 100 Delegierten der acht DGB-Gewerkschaften ein von ver.di eingebrachter Antrag vor, der sich für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ausspricht. In einem ersten Schritt hieße das für die Antragsteller »ein existenzsicherndes Mindesteinkommen durch einen branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 1250 Euro monatlich bzw. 7,50 Euro pro Stunde«. Diese Summen sollten Ausgangspunkt für weitere Anhebungen sein. Die Beschlussfassung dieses und weiterer Anträge zur künftigen Gewerkschaftspolitik in der Region stand bis Redaktionsschluss noch aus. Ein Sprecher des DGB ging jedoch davon aus, dass der Antrag zum Mindestlohn angenommen werde. Die Frage existenzsichernder Arbeit beschäftigte auch die anwesende Gewerkschafts- und Politprominenz. Sowohl der DGB-Vorsizende Michael Sommer als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) und SPD-Chef Matthias Platzeck plädierten in ihren Grußworten für die Einführung von Mindestlöhnen. Auf Höhe und Ausgestaltung - etwa branchenspezifische Differenzierungen - gingen sie jedoch nicht näher ein. Michael Sommer gab sich in seiner Rede kämpferisch. In einer »Phase eines verschärften Klassenkampfes« sei es Aufgabe der Gewerkschaften, »die Existenz arbeitender Menschen gegen die rabiate Kapitalistenklasse zu verteidigen«. Mit den Tarifverhandlungen in der Metallbranche und im Öffentlichen Dienst stünden »knüppelharte Auseinandersetzungen« bevor, deren Ausgang entscheidende Bedeutung für einen Umschwung im »Tarifklima« habe. Matthias Platzeck versuchte mit seinen Ausführungen, inhaltliche Übereinstimmungen zwischen SPD und Gewerkschaften aufzuzeigen. Er hoffte, gemeinsame Forderungen wie die nach Regulierung der Wirtschaft, Qualifizierung der Arbeitskräfte und gezielter Wachstumsförderung würden beide wieder »enger zusammenführen«. Mit Blick auf die Landespolitik lehnte Harald Wolf wirtschaftspolitische Strategien, die allein auf die Förderung des Dienstleistungssektors orientierten, ab. Ohne Wachstum im industriellen Kern gäbe es auch kein Wachstum im Dienstleistungssektor, betonte er. Damit stimmte Wolf indirekt mit der Analyse zur Industriepolitik in Berlin überein, wie sie in einem Antrag des DGB-Bezirksvorstands den Delegierten der Bezirkskonferenz vorlag.

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