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Entschädigung für «Ostmark»-Sklaven

Regierung will antifaschistisches Image aufbauen Österreich Von Hannes Hofbauer

  • Lesedauer: 2 Min.

Mit großem medialen Getöse ging jetzt eine so genannte «Versöhnungskonferenz» über die Bühne. Wolfgang Schüsseis Spezialbeauftragte, die ehemalige Nationalbankpräsidentin und ÖVP-Getreue Maria Schaumayer, lud 60 Delegierte aus der Ukraine, Belorussland, Russland, Polen, Ungarn und Tschechien zur Besprechung der Entschädigungsfrage von Zwangsarbeiterinnen in die Wiener Hofburg. USA-Vizeaußenminister Stuart Eizenstat wachte über die Konferenz, von der im Übrigen Medienvertreter und Anwälte - sowie seltsamer weise auch Vertreter jugoslawischer Or ganisationen - ausgeschlossen blieben. «Es war ein voller Erfolg», fasste Schaumayer das Ergebnis zusammen.

Auf der «Versöhnungskonferenz» wur de eine Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen im Ausmaß von umgerechnet 1000 bis 15 000 DM pro Ausgebeuteten beschlossen. Die Delegationen aus Osteuropa gaben zu verstehen, diese Regelung möglichst schnell unterzeichnen zu wollen, so dass es schon bald zu den ersten Auszahlungen kommen könnte. Insgesamt wird von 150 000 noch lebenden Anspruchsberechtigten ausgegangen, die ihre Jugend großteils als Verschleppte in der ostmärkischen Industrie und Landwirtschaft verbringen mussten. Fünf Kategorien hat sich die Regierungsbeauftragte Schaumayer ausgedacht, nach denen das «Zwangsarbeiterentschädigungsgesetz» zum Einsatz kommen soll: Sklavenarbeit; Zwangsarbeit in der Industrie; Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft; verschleppte Kinder und Frauen; Frauen, die während ihres Zwangsarbeiterinnendaseins Kinder zur Welt brachten. Sklavenarbeiter werden demnach mit 15 000 DM und Frauen, die unter Zwang ein Kind zur Welt gebracht haben, mit 1000 DM entschädigt. Damit wurde das Leid der von der Saukel-Behörde zum Dienst an den «deutschen Herrenmenschen» Gezwungenen nun auch in Öster reich auf Schilling und Groschen monetarisiert.

Auf den ersten Blick ist mit diesem Konferenzergebnis der in EU-Europa weiterhin geächteten schwarz-blauen Regierung ein beachtlicher Coup gelungen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hofft, dass ihm die Einrichtung eines «Zwangsarbeiterfonds» jenes antifaschistische Image verleiht, das er im Angesicht der EU-14 so dringend benötigen würde. Indes bleiben viele Fragen ungeklärt. Zum ersten natürlich die prinzipielle: Ist Leid in dieser Dimension mit Geld aufzuwiegen?

Als größter Stolperstein für die Umsetzung der Zwangsarbeiterentschädigung könnte sich der Jüdische Weltkongress (JWC) herausstellen. Schon rufen seine Vertreter dazu auf, Österreich zu boykottieren. Sie sind empört darüber, dass die Frage der Zwangsarbeiterentschädigung von jener der Entschädigung für KZ-Opfer entkoppelt worden ist.

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