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Fruchtbare Kooperation

Mologen oder wenn Professoren Firmen gründen Von Tom Mustroph

  • Lesedauer: 3 Min.

Das Berliner Vorzeige-Modell für er folgreich angewandte Wissenschaft heißt Burghardt Wittig. Der zum »Unternehmer des Jahres 1999« gekürte Molekularbiologe hat es binnen kurzem geschafft, viel versprechende Ergebnisse der eigenen Grundlagenforschung in die unabhängig machende Form der Aktiengesellschaft zu überführen.

Gleichzeitig gelang dem - nicht nur wegen des Kontrasts von sonnengebräunter Haut und weißem Haar - entspannt wir kenden 52 Jährigen das Kunststück, die Potenziale des von ihm 1989 an der Berliner Freien Universität (FU) gegründeten Instituts für Molekularbiologie und Bioinformatik mit denen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens zusammenzuführen. Die Mologen AG mit ihren der zeit 26 Mitarbeitern ist 1996 aus einer seiner Arbeitsgruppen hervorgegangen. Wittig selbst ist heute sowohl Institutsleiter als auch Aufsichtsratsvorsitzender von Mologen. Die Forschungsbereiche der Firma und der universitären Arbeitsgruppe überschneiden sich teilweise, wobei Matthias Reichel, Prokurist von Mologen, zum Schluss kommt, dass »wir eine Form der Zusammenarbeit gefunden haben, die allen Beteiligten Vorteile bringt«. So wer den die Forschungsergebnisse der Ar beitsgruppe von der Privatfirma genutzt - und umgekehrt. Die von Mologen bereitgestellte Infrastruktur dient wiederum Diplomanden und Doktoranden, die ihrerseits Fragestellungen auswählen könben, die wissenschaftlich und für die Produktentwicklung interessant sind.

Sichtbares Zeichen dieser »Public Private Partnership«, also der Zusammenar beit von Hochschule und Wirtschaft, ist das Zwillingsgebäude in der Berliner Fabeckstrasse: links der aus den 70ern stammende Plattenbau, der das Institut beherbergt, rechts der auf einer Unibaracke aufsitzende futuristische Neubau der Mologen AG. 2003 geht das für vier Millionen Mark errichtete Gebäude - als Gegenleistung für die Nutzung von Uni-Ressourcen - an die FU über. Mologen hat die Option, das Objekt danach zu mieten.

Mittlerweile ist der Naturalienhandel nicht mehr die einzige Möglichkeit für die Universität, als Kapitalgeber in ihre eigenen Start-Ups einzusteigen. Vielmehr kann sie seit kurzem selbst Anteilseignerin werden oder eigene Firmen gründen. »Das Modell Wittig-Mologen ist jedoch eine einmalige Konstruktion,« sagt Wolfgang Multhaupt, Leiter der Abteilung For schungsangelegenheiten der FU Berlin. In Zukunft wolle man sich als stiller Teilhaber an Unternehmen von Hochschullehrern beteiligen. Die bislang erste unter nehmerische Aktivität ist eine ausschließlich von den drei großen Berliner Hochschulen gegründete Firma für Multimedia-Anwendungen. Auch ansonsten er freut sich die »Public Private Partnership« immer größerer Beliebtheit. Im Auftrag des »Stifterverbandes der deutschen Wirtschaft« zählte das »Deutsche Institut für Wirtschaft« in Köln jüngst immerhin 216 Beispiele einer Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft.

Der Jungunternehmer Burghardt Wittig studierte Medizin, ohne je Arzt werden zu wollen. Er wollte nicht nur Krankheiten behandeln, sondern deren Ursachen er forschen. Begleitend belegte er Physik und übernahm deren Methodik. Außerdem erlernte er den Beruf des Hörgeräte- Akustikers, was ihm dabei hilft, mit den Handwerkern zusammen neuartige Geräte für seine Experimente zu entwickeln. Sein bislang verheißungsvollstes Produkt ist die MIDGE, eine so genannte Genfähre. Sie war die Lösung eines theoretischen Problems der Grundlagenforschung zur DNA-Struktur und stellte sich überraschend als Instrument der Medizin der Zukunft heraus. Die MIDGE bringt genetische Informationen eines Erregers - vor zugsweise Zelloberflächen-Proteine- in die Zellen. Dort werden die Infos abgelesen und Antigene gebildet, die den Erreger, sollte er später einmal eintreffen, wir kungsvoll bekämpfen können. Allerdings: Die MIDGE wird zur Zeit nur in der For schung eingesetzt.

Mologen entwickelt gegenwärtig Impfstoffe gegen Haus- und Nutztierseuchen. Hier sind die Kosten, Zeiträume und Auflagen überschaubarer, meint Prokurist Reichel: »Der Markt ist aber trotzdem groß genug, dass wir uns ein gutes Geschäft ausrechnen können.« Zudem bringen die Studien an FIV, einer Viruserkrankung von Katzen, deren Krankheitsbild dem von AIDS-kranken Menschen sehr ähnelt, nützliche Informationen im Kampf gegen HIV Impfstoffe auf den Markt bringt Mologen jedoch frühestens in zwei Jahren.

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