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  • Politik
  • ?III.U.I.I.I.IHIIII Klubs werden zur

aussterbenden Spezies

Bundesjugendring vermisst Strukturen im Osten Von Hendrik Lasch, Magdeburg

  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, die FDJ wolle er nicht schönreden, beeilt sich Ronald Berthelmann zu versichern. Trotzdem blickt der Geschäftsführer des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR), der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Jugendver bände, mit ein wenig Wehmut zurück. »Das Netz an Jugendräumen in Ostdeutschland ist heute sehr viel dünner als früher«, sagt er. Früher heißt: Bis vor etwa zehn Jahren, als jede LPG einen Tanzschuppen hatte, in kleinstädtischen FDJ- Jugendklubhäusern zum Konzert aufgespielt und landauf, landab das Blaue oder Goldene T verteilt wurde - ein Qualitätssiegel für Tanzveranstaltungen.

Nicht nostalgisch, sondern nüchtern und ernüchtert schaut auch die DB JR-Vor sitzende Gaby Hagmans auf das heutige Netz von Jugendeinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern. Dieses weist ihrer Einschätzung nach oftmals nicht nur »sehr weite Maschen« auf, sondern sei »an vielen Stellen gar nicht oder nicht ausreichend« existent. Dafür, dass der Jugendklub zu den aussterbenden Spezies gehört, seien alle staatlichen Ebenen ver antwortlich, sagte sie auf der 73. DBJR- Vollversammlung in Magdeburg. Diese kämen »an vielen Stellen ihren Verpflichtungen aus dem Kinder und Jugendhilfegesetz nicht ausreichend nach«.

Dabei geht es den Vertretern der Jugendverbände, zu denen beispielsweise Gewerkschaftsjugend, Jugendfeuerwehren und die Trachtenjugend zählen und die bundesweit sechs Millionen Mitglieder vertreten, natürlich auch um Geld. Kräftige Schelte muss die Bundesregierung einstecken, die ihren als wichtigstes Förder instrument für die Jugendarbeit dienenden Kinder und Jugendplan seit Jahren gleichbleibend mit 192 Millionen Mark dotiert. Währenddessen werden die daraus zu bezahlenden Maßnahmen stetig erweitert. »Wenn die Politik sagt, wir müssen jetzt mal noch was gegen Rechtsextremismus oder für Medienerziehung tun, muss sich das auch in Zahlen nieder schlagen«, sagt Hagmans.

Allerdings machen diese Gelder nur fünf Prozent der bundesweit ausgegebenen Mittel aus. Hauptverantwortliche sind Kreise und Kommunen. Deren Kämmerer aber greifen immer öfter zum Rotstift. Nachdem es im Osten zu Beginn der 90er Jahre einen »hoffnungsvollen Anschub« für freie Träger gegeben habe, beobachtet der DBJR jetzt ein »Ausschleichen« staatlicher Stellen aus der Förderung. Weil in Ostdeutschland meist nicht Strukturen finanziert würden, sondern zeitlich befristete Projekte, könne es vorkommen, dass ein vom Bundestagspräsidenten ausgezeichnetes Jugendhaus bei dessen nächstem Besuch vor dem finanziellen Aus steht.

Gravierend sind die Defizite beim Per sonal. Während nach Hagmans Einschätzung in den West-Einrichtungen vorwiegend feste Stellen bezahlt würden, geschieht dies laut einer Studie der Fachhochschule Magdeburg im Osten nur in jeder zehnten Einrichtung. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es 150 hauptamtliche Jugendarbeiter, denen 2000 befristete Stellen gegenüberstünden, sagt Björn Richter, Vorsitzender des Landesjugendrings. Eine qualifizierte Jugendarbeit sei so kaum möglich, klagt der 21-jährige Politikstudent: »Da braucht es fähige, fitte Leute, die Visionen haben, geschult sind und entsprechend bezahlt werden.«

Trübe Perspektiven ergeben sich aus diesen Missständen nach Meinung von DBJR-Vertretern für den allerorts beschworenen Kampf gegen den Rechtsex tremismus. In einem auf der Vollver Sammlung beschlossenen Papier wird kritisiert, dass das 75 Millionen Mark schwere Aktionsprogramm der Bundesregierung, für das Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds verwendet werden sollen, wegen komplizierter Antragsfor malitäten und der notwendigen Kofinanzierung durch Länder und Kommunen nur schwer bis zu den kleinen Projekten und‹Initiativen durchsickern werde. So blieben ABM-Stellen weiterhin der häufigste Ausweg. Eine kontinuierliche Arbeit mit »schwierigen Jugendlichen« aber, meint DBJG-Geschäftsführer Berthelmann, ist »über zeitweilige Beschäftigung nicht zu erbringen«.

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