- Politik
- Hermann Naumann: Malerei und Skulptur im Stadtmuseum Dresden
Innenseiten eines Außenseiters
Wie findet eine kunstinteressierte Öffentlichkeit einen Außenseiten der Dresdner Kunst? Die Frage ist durchaus doppeldeutig gemeint. Also rein urteilsmäßig - wie kommt einer wie der sich mit Ausstellungen ausgesprochen rar machende Hermann Naumann bei dem gewiss in seiner Heimatstadt Dresden vorhandenen fachkundigen Publikum an. Und ganz konkret für Ortskundige - wo außer in seinem neuen Domizil in Dittersbach auf den Stolpener Höhen weit über der Elbe ist er als Person und als Kunst-Phänomen auffindbar?
Andere sind Akademieprofessoren oder zumindest Dozenten. Er war es nie. Gut, inzwischen hat der Außen- und Abseiter seine siebzig Lenze schon seit Monaten hinter sich. Oben im großzügigen schlossartigen, von Helga Luzens, der langjährigen Gefährtin, gehüteten Heim (und drumherum) tummeln sich zumal sommers Hunderte flanierende Gäste. Aber war der immerhin immer produktive Künstler je ganz heimisch, unten in der großen Stadt? Die ihn offiziell immer ver schmähte, und er sie sicher auch. Der Künstlerverband war ihm mehr Vehikel zum langwierigen Überleben denn für einen spektakulären Aufstieg. Und Heimat im Sinne des Geborgenfühlens in einer Künstlergruppierung war ihm schon gar nicht beschert.
Nun hat ihm Matz Griebel, der immer wieder nicht nur als origineller Kauz kreative und aktive Museumsdirektor, die Tür des Stadtmuseums weit geöffnet für die Personalschau. Schon lange war sie fällig, hier, wo er lernte und lebte als unverwechselbar einheimischer Kunstmensch. Der immer da war und doch wieder nicht anwesend - immer Autodidakt, nie Student dieser oder jener Akademie. Statt dessen die Nähe der ganz alten suchend. Zuerst beim Mitbewohner des Künstlerhauses Dresden-Loschwitz, dem Bildhauer Herbert Volwahsen. Dem er den frühen souveränen Umgang mit der sinnlich-plastischen Form verdankt. Und dann der Kontakt zum ständigen Dresdenbesucher vom Bodensee, Otto Dix. Der über Freundin Käthe König und Drucker Paul Ehrhardt hinaus wenig Bezugspersonen in der altvertrauten Elbestadt haben mochte. Und den jugendlichen Enthusiasten gern ins Gespräch über Zeichenkunst und Literarisches zog. Denn Naumann war früh mit Gerhart Hauptmann, Franz Kafka und den biblischen Legenden vertraut. Zu denen er späterhin manches exzellente graphische Blatt ins Metall stach - in jener seltsam-zeitaufwendigen Punktiermanier, die Punzenstich heißt.
Es kann kein Zufall sein, dass Hermann Naumann so gut wie ausschließlich durch diese Punzenstiche einen Namen gewann. Früh vom kunstsinnigen Reclam-Verleger Hans Marquardt entdeckt und gefördert, entstanden seit 1958 bibliophile Buchausgaben und Mappenwerke mit dieser Originalgraphik. Nach dem jähen Ende des Buchkunstprogramms bei Reclam setzte Elmar Faber mit seiner Leipziger Sisyphos-Presse die Bemühung um Naumann und die von ihm geschaffenen edlen Graphik-Gaben sogar noch intensiver fort. So spannt sich ein Bogen über vierzig Jahre von «Meine jüdischen Augen» bis «Zur Charakteristik Jehovas». Der seine festen Begrenzungen in der jiddischen Poesie auf der einen Seite und in Gerhart Hauptmanns Essay auf der anderen hat, immer das Alte Testament umkreisend.
Jammerschade, dass diese graphischliterarischen Kostbarkeiten nur andeutungsweise mit spärlichen Proben in zwei Vitrinen für die Dresdner Ausstellung er schlössen wurden. Denn - wenn Naumann nicht nur der Graphiker, sondern auch der Bildhauer und Maler ist, so ist gerade die ausbalancierte Präsentation dieser Dreieinigkeit wichtig. Zumal die Formate der Ölbilder gewaltig dominierend sind, und in ihrer dekorativen Far bigkeit weithin leuchten. Das noch wenig überzeugende Porträt der Käthe König von 1972 wird haushoch und mühelos von den neuesten Produktionen übertroffen: Von der «Abstrakten Ikone» (1990) über «Der Pianist» (1997) und «Für unseren Wald» (1990) bis «Eruptive Landschaft» (2000) gibt es sogar eklatante Steigerung in der Bildintensität. Das Wechselverhältnis zu den plastischen Zugaben ist im vielfachen Sinn spannend - aufregend, spannungsvoll, fast überspannt.
Die überstrenge Formsprache der Skulpturen von «Tröstung» (1950) bis «Lesende» (1999) ist anders als die gebändigt tobende seiner Malerei, und wiederum kaum seinen graphischen Chiffren vergleichbar. Verbindend ist lediglich die Materialität des Metalls bei Plastik und Graphik. Ein Berührungspunkt, auch für die Hand des Künstlers. Stahl kommt skulptural öfter vor als Bronze. Er liebt es, die Silhouettenwirkung der umschrittenen plastischen Form durch das dunkle Material zu verstärken. Der Eigensinn im persönlichen Künstlerleben zieht belebende Widersprüchlichkeit in den formalen Mitteln halt nach sich. Hermann Naumann passt in keine proper etikettierte Schublade - welch Glück.
Daneben sieht die Suite der zarten Aquarelle und duftig bemalten Keramik seiner 1953 geborenen Tochter Korinna Wellmer doch auswechselbar gegen Kunst anderer aus. Selbst wenn die schriftlichen Äußerungen zu ihrer Kunst im Gästebuch noch so euphorisch sind - sie tut sich kaum einen Gefallen damit, mit ihren gewiss achtbaren Arbeiten die Ausstellung des Vaters indirekt zu konterkarieren. Auf eben der Hängefläche wäre das zu platzieren gewesen, was der Zeichner, Holzschneider und Punzenstecher auf unver wechselbare Weise zu bieten hat.
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