Zu viel Macht in einer Hand?

Der designierte LINKE-Landesvorsitzende Christian Görke sieht sich nicht als Einzelkämpfer

  • Lesedauer: 4 Min.
Der 1962 geborene Christian Görke (im Bild rechts) war bis zu seinem Einzug in den brandenburgischen Landtag im Jahr 2003 Lehrer für Sport und Geschichte an der Gesamtschule »Bruno-H. Bürgel« in Rathenow. 2007 wurde Görke Parlamentarischer Geschäftsführer und 2012 Vorsitzender der Linksfraktion. Nun soll der Pädagoge und Finanzexperte Ende Januar 2014 Landesparteichef Stefan Ludwig (im Bild links) ablösen. Der Landesvorstand, der Landesausschuss, die Kreisvorsitzenden und die Landtagsfraktion haben zugestimmt, dass der geschiedene Vater von zwei Kindern künftig gleichzeitig Fraktionschef und Landesvorsitzender sein soll. Trotzdem sind Bedenken dagegen geäußert geworden, diese beiden Aufgaben wirklich in eine Hand zu legen. Andreas Fritsche sprach darüber mit dem Politiker.

nd: Hat die brandenburgische LINKE eine so dünne Personaldecke, dass der Landtagsfraktionschef nun auch noch Landesvorsitzender werden muss?
Görke: In unseren Reihen finden sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, eine Landrätin, mehrere Beigeordnete, Minister, eine Ministerin, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, Büroleiter/innen, Pressesprecher/innen, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, über tausend Kommnalvertreter/innen. Gerade in den vergangenen Jahren hat in der Aktivenschaft ein Generationswechsel stattgefunden, der viele junge politische, kompetente Talente hervorgebracht hat. Daher kann man wohl kaum von dünner Personaldecke sprechen. Was die »Cheffrage« betrifft: Die brandenburgische LINKE verfügt über eine durchaus streitbare und engagierte Mitgliedschaft. Mein Angebot an die Partei ist es, gemeinsam mit allen Mitgliedern voller Kraft und Energie in die bevorstehenden Wahlkämpfe zu ziehen und für eine starke LINKE im Land zu kämpfen.

Man hört an der Parteibasis die Ansicht: »Christian Görke ist ein prima Fraktionschef, aber wie soll er gleichzeitig ein guter Parteichef sein?« Ist das nicht zu viel für einen Menschen?
Das eine schließt doch das andere nicht per se aus. Es kommt auf die Organisation an. Ich habe von Anfang an deutlich gemacht, dass ich kein Einzelkämpfer bin. Mit einem starken Team und dem gemeinsamen Mut, die Aufgaben anzugehen - in der Fraktion, im Landesvorstand und vor allem in der Mitgliedschaft - werden wir erfolgreich sein.

Es gab schon Bedenken, ob nicht zu viele Funktionen in einer Hand konzentriert sind, als der aktuelle Landesvorsitzende Stefan Ludwig zu Beginn seiner Amtszeit auch noch stellvertretender Fraktionsvorsitzender war. Wie wollen Sie dergleichen Bedenken in Ihrem Fall nun zerstreuen?
Um diese Bedenken zu zerstreuen, kommt es auf alle an und auf Vertrauen in die Person. In den vergangenen Tagen habe ich zahlreiche Anrufe und E-Mails bekommen. Die Bandbreite reicht von großer Ermunterung und Unterstützung für diesen Schritt bis hin zu Bedenken und Ablehnung. Das nehme ich sehr ernst, zumal vor allem in unserer Partei die Sorge um »zu viel Macht in einer Hand«, bedingt durch unsere Vergangenheit, nicht unbegründet ist. Aber ich bin überzeugt, dass unsere selbstbewusste Basis es nicht zulassen würde, dass ich die Bodenhaftung verliere. Der Landesverband steht vor einer großen Herausforderung, wir alle, nicht nur ich allein. Es ist daher möglicherweise auch eine Chance, beide Funktionen in einer Person zu bündeln, hinter der ein Team und eine starke Partei stehen.

Es kursiert das Gerücht, dass Sie - falls es nach der Landtagswahl 2014 wieder zu einer rot-roten Koalition kommt - mit dem Posten des Finanzministers liebäugeln. Was ist an dieser Sache dran?
Das ist ein bisschen zu viel »was wäre wenn«. Wir wollen in Brandenburg gemeinsam bei den Kommunal, Europa- und Landtagswahlen im nächsten Jahr zeigen, dass wir auch als Regierungspartei überzeugende Konzepte haben und von den Brandenburgerinnen und Brandenburgern gerade darum gewählt werden. Wichtig ist, dass wir die Herzen und Köpfe der Brandenburgerinnen und Brandenburger gewinnen. Darum geht es zu allererst. Mit dem vorliegenden Leitbild haben wir eine gute Grundlage für unser Wahlprogramm. Im Kern geht es uns um ein soziales, solidarisches und gerechtes Brandenburg. Beispielsweise mit einer guten gesundheitlichen Versorgung in allen Landesteilen, einem Mindestlohn für alle, auch in der Pflege, eine gute Bildung für alle von Anfang an und um Mobilität. In den Kommunen sollen wieder mehr Investitionen möglich sein, dafür haben wir ein kommunales Investitionsprogramm erarbeitet. Ich möchte um und für Konzepte streiten, die das Land nach vorn bringen. Dafür stehe ich zur Verfügung.

Wen wünschen Sie sich in den Landesvorstand? Wen hätten Sie gern als Stellvertreter, als Landesgeschäftsführer, als Schatzmeister?
Ich wünsche mir Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Landesvorstand, die bereit sind, ihre Kraft, ihre Ideen und ihre Positionen in die anstehenden Aufgaben zu investieren - solidarisch, streitbar und engagiert. Wer diese Verantwortung übertragen bekommt, entscheidet der Landesparteitag.

Die vorgesehene Ablösung Stefan Ludwigs als Landesvorsitzender dürfte für Außenstehende überraschend gekommen sein. Warum geht die LINKE mit dergleichen Personalentscheidungen nicht bereits im Vorfeld transparenter um?
Stefan Ludwig wird nicht abgelöst. Er hat mehrere Monate vor der Neuwahl des Landesvorstandes für sich eine Entscheidung getroffen und erklärt, dass er nicht wieder als Landesvorsitzender kandidieren wird. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang.

Wie freiwillig war der Entschluss von Stefan Ludwig tatsächlich, auf eine zweite Amtsperiode als Landesvorsitzender zu verzichten?
Die Frage wird Ihnen Stefan Ludwig sicher gern persönlich beantworten.

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