Beim Liebesakt versteinert

Chinesische Wissenschaftler finden 165 Millionen Jahre altes Fossil eines kopulierenden Zikadenpaares. Die damals lebende Art bevorzugte eine andere Paarungsposition als ihre Verwandten heute

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Zumindest in einem Punkt ähneln sich die sexuellen Aktivitäten von Menschen und Insekten. Beide praktizieren dabei verschiedene Paarungspositionen, die mitunter recht akrobatisch anmuten. Libellen zum Beispiel bilden ein sogenanntes Paarungsrad, bei dem das Männchen den Körper des Weibchens mit seiner Hinterleibszange festhält. Das Weibchen biegt daraufhin seinen Hinterkörper nach vorn, um mit seinen Geschlechtsöffnungen das Begattungsorgan des Männchens zu erreichen. Diese geschlossene Stellung behalten Libellen oft über Stunden bei und das sogar im Flug.

Natürlich machen es nicht alle Insekten so kompliziert. Viele kopulieren einfach Seite an Seite oder Bauch an Rücken. Die Frage, wann sich die einzelnen Paarungspositionen in der Evolution herausgebildet haben, ist indes schwierig zu beantworten. Denn Fossilien von kopulierenden Insekten sind rar. Gleichwohl vermuten Biologen, dass die Paarung bei den Ur-Insekten Bauch an Rücken erfolgte, wobei das Weibchen oben und das Männchen unten lag.

Das stimmt jedoch nur zum Teil, wie Paläontologen um Dong Ren von der Capital Normal University in Peking jetzt festgestellt haben. Sie entdeckten im Nordosten Chinas die bisher ältesten fossilen Überreste kopulierender Insekten. Dabei handelt es sich um zwei Rundkopfzikaden einer ausgestorbenen Art, die vor 165 Millionen Jahren beim Sex den Tod fanden und für immer im Gestein konserviert wurden. Wie die Forscher im Fachjournal »PLOS ONE« (doi: 10.1371/journal. pone.0078188) mitteilen, praktizierten die Tiere offenkundig so etwas wie die Missionarsstellung: Sie paarten sich Bauch an Bauch. Sogar das Kopulationsorgan des Männchens ist im Gestein noch zu erkennen, es steckt im Genitaltrakt des Weibchens.

Der Fund belegt, dass sich das Paarungsprinzip (Weibchen oben, Männchen unten) bei den Rundkopfzikaden seit dem Mittleren Jura nicht wesentlich verändert hat. Mit Ausnahme vielleicht der Paarungsposition. Denn heute kopulieren die Tiere nicht Bauch an Bauch, sondern Seite an Seite. Dabei liegt das Zikadenmännchen schräg neben dem Weibchen, so dass eine typische V-Stellung entsteht, welche die Tiere bis zu fünf Stunden beibehalten.

Bei anderen Insekten sichern die Männchen ihr Fortpflanzungsmonopol durch weitaus intensivere Langzeitkopulationen. Nehmen wir als Beispiel die Heuschreckenart »Zonocerus elegans«. Hier springt das Männchen bei der Paarung auf den Rücken des Weibchens und umklammert es mit den Beinen. Danach verharrt es in dieser Stellung bis zu einem Monat. Das ist ungefähr ein Drittel seines Lebens. Währenddessen wird das Männchen häufig von Rivalen bedrängt, die es mit seinen Hinterbeinen fortschubst. Erst wenn das Weibchen seine Eier abgelegt hat, löst das Männchen den Klammergriff.

Bei den Moskitos vermeiden die Männchen eine solche Anstrengung. Stattdessen legen sie ihren Weibchen eine Art Keuschheitsgürtel an. Das heißt: Nach der Paarung verschließen sie die weibliche Geschlechtsöffnung mit einem sogenannten Begattungspfropf, um so ihr eigenes Sperma im Körper des Weibchens zu versiegeln und weitere Kopulationen zu verhindern. Die extremste Ausprägung dieses Verhaltens findet man bei der Stechmückenart »Johannseniella nitida«. Hier übernimmt das Männchen selbst die Rolle des Begattungspfropfes und zwängt sich in die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Mit fatalen Folgen - für das Männchen. Denn es wird zuletzt vom Weibchen verspeist, das dadurch zusätzliche Proteine für die Produktion von Eiern gewinnt.

Die Männchen der Gebänderten Prachtlibelle belassen es dagegen bei der Überwachung. Um ihren Fortpflanzungserfolg nicht zu gefährden, weichen sie auch nach der Paarung dem Weibchen nicht von der Seite und sind so augenblicklich in der Lage, mögliche Rivalen zu vertreiben. Einige Biologen behaupten sogar, dass in solch gleichsam erzwungenen Verbindungen eine der evolutionären Wurzeln der Monogamie liege. Das ist zwar durchaus vorstellbar, aber belegen lässt es vermutlich nicht.

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