Mehr Mindestlohn - weniger Bewerber?

Unternehmen konkurrieren immer seltener um Zuschlag für öffentliche Aufträge

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Land hebt den von Unternehmen zu zahlenden Mindestlohn bei öffentlichen Vergabeverfahren auf 8,50 Euro an. Allerdings bewerben sich immer weniger Firmen um Aufträge der Öffentlichen Hand.

Die Landesregierung macht Ernst mit der Erhöhung des Mindestlohnes in ihrem Wirkungsbereich. Ab Januar sollen Unternehmen nur noch dann Staatsaufträge erhalten, wenn sie ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt nun dem Landtag vor. Er sieht vor, das Brandenburgische Vergabegesetz im genannten Punkt zu verändern.

Seit dem 1. Januar 2012, heißt es in der aufgeführten Problemstellung, gelte ein Mindestarbeitsentgelt von acht Euro. Dessen Höhe müsse allerdings an die veränderten wirtschaftliche und soziale Verhältnisse angepasst werden, so die Begründung. Eine zuständige Kommission habe daher vorgeschlagen, das Mindestarbeitsentgelt auf 8,50 Euro pro Stunde für die Dauer von zwei Jahren zu erhöhen. »Zudem solle eine vorzeitige Anpassung im Herbst 2014 geprüft werden.

Allerdings könnten unerwartete Schwierigkeiten auftreten. Brandenburgischen Unternehmen geht es derzeit offenbar besser als gedacht. Immer weniger bewerben sich um öffentliche Aufträge. Die Auftragsberatungsstelle Brandenburg hatte im Sommer erklärt, dass insbesondere im Dienstleistungs- und Lieferbereich auffalle, «dass Vergabestellen derzeit Probleme haben, genug Unternehmen für ihre ausgeschriebenen Leistungen zu finden».

Die Zahl der Bewerber sei «erheblich gesunken». Manche Vergabeverfahren müssten sogar aufgehoben werden, da kein einziges Angebot eingegangen sei. «Wir möchten daher alle Unternehmen in Brandenburg ermuntern, sich stärker an Vergabeverfahren der Öffentlichen Hand zu beteiligen», hieß es seitens der Beratungsstelle.

Die Gründe für die Zurückhaltung ließen sich nur erahnen. «Bewerbungen sind je nach Einzelfall mit einem bestimmten personellen und finanziellen Aufwand verbunden. Durch die derzeit geringe Anzahl an Bewerbern stehen die Chancen insgesamt gut.» Unter der Hand heißt es bei Wirtschaftsverbänden gelegentlich, dass man bei Staatsaufträgen aufgrund der niedrigen Preise kaum etwas verdienen könne. Höherer Kontrollaufwand und Unübersichtlichkeit bei der Umsetzung des Vergabegesetzes lauten die Kritikpunkte der Handwerkskammern in Brandenburg. Deshalb könne es dazu kommen, dass ein Unternehmen seinen Angestellten unterschiedliche Löhne zahlt - also einen bei der Abarbeitung von Staatsaufträgen, einen anderen bei sonstigen Aufträgen. Was dem Staat mit seiner Hoheit über dem Etat möglich sei, also einfach mehr Geld aus der Kasse holen, das könne nicht jeder Unternehmer.

Politisch stand bei der Erarbeitung des Vergabegesetzes der Gedanke Pate, dass die traditionell niedrigen Löhne in der gewerblichen Wirtschaft Brandenburgs einen Impuls zur deutlichen Erhöhung erhalten sollten. Daher wollte die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen und einen Mindestlohn vorschreiben, «von dem man leben kann». Bei der Bildung der rot-roten Koalition 2009 wurde die Vorgabe eines Mindestlohns in einem Vergabegesetz festgeschrieben. Allein für die Bewachung des Potsdamer Landtags steigen dadurch die Ausgaben des Landes um 80 000 Euro.

Abgesehen von der FDP sprechen sich im Landtag inzwischen alle Fraktionen für solch ein Mindestlohnmodell aus. Diese Wandlung freut Andreas Bernig von der Linksfraktion. Ihm zufolge hat sich das Problem zu niedriger Löhne in den letzten Jahren verschärft. Wenn heute in Brandenburg etwa 66 000 Menschen zusätzlich zum Erwerbseinkommen Sozialhilfe beziehen müssen, «dann kann etwas im System nicht stimmen».

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