Zwangsarbeit laut Amnesty in Katar an der Tagesordnung

Menschenrechtsorganisation nimmt den Fußball-Weltverband in die Pflicht

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Berichten über Todesfälle und unmenschliche Bedingungen auf Baustellen in Katar hat Amnesty Internation mit hunderten betroffenen Bauarbeitern gesprochen. Das Ergebnis: Zwangsarbeit ist im Golfstaat Routine.

Als der britische »Guardian« Ende September über nepalesische Arbeiter berichtete, die reihenweise in Särgen von den Baustellen in Katar heimgekehrt waren, war die Aufregung über unmenschliche Lebensbedingungen ausländischer Arbeiter groß. Neben der Regierung des Emirats geriet auch der Fußball-Weltverband FIFA in die Kritik, denn für dessen Weltmeisterschaft 2022 werden in Katar bald Stadien und schon jetzt Infrastruktur und Hotels gebaut. Gerade da sich die FIFA nun wieder an den spannenden Bildern der Qualifikationsspiele zur WM 2014 in Brasilien ergötzt, und Katar in Vergessenheit zu geraten droht, grätscht Amnesty International mit einer Studie dazwischen, deren Ergebnisse weh tun.

Vertreter Amnestys führten 2012 und 2013 Interviews mit gut 210 ausländischen Bauarbeitern, vor allem aus Asien. Besucht wurden sie in Abschiebeszentren und 20 Arbeitercamps in der Hauptstadt Doha, dem Industriekomplex Sailiya, Al Khor und Umm Salal. In drei dieser Städte sollen auch WM-Stadien entstehen. Zu weiteren drei Lagern wurde Amnesty eigenen Angaben zufolge der Zutritt von den Baufirmen verwehrt.

Die Arbeiter berichteten, wie schon zuvor zu lesen war, erneut darüber, unter Vortäuschung falscher Tatsachen nach Katar gelockt worden zu sein, wo ihnen dann die Pässe entzogen wurden. Durch Gesetze legalisiert sind sie dann auf ihre Arbeitgeber angewiesen, um das Land wieder verlassen zu können. Diese zwingen sie aber zur Arbeit, teils monatelang unbezahlt und mit Überstunden in der Gluthitze von bis zu 50 Grad im Freien. Vieles davon verstößt auch gegen Katars Gesetze. Die Forscher hätten selbst Verstöße beobachtet, heißt es. »Unsere Studie ergab eine weitreichende Ausbeutung von Migranten ... Diese Fälle erfüllen die Tatbestände der Zwangsarbeit und des Menschenhandels«, urteilt Amnesty.

»Vertreter aller Regierungsbehörden tendieren dazu, die Probleme als isolierte Fälle kleinzureden. Die Ausbeutung ausländischer Arbeiter ist aber Routine und weit verbreitet«, so die Menschenrechtsorganisation. Die gesetzliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber sei Hauptgrund dafür und gehöre abgeschafft, fordert Amnesty.

Das Organisationskomitee der WM »Q22« bezeichnet sich in einer Antwort auf die Vorwürfe statt als Antreiber für Ausbeutung lieber als »Katalysator für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Arbeitern«. So hätte man einen Katalog von weitreichenden Arbeiterrechten verabschiedet. Amnesty begrüßt den zwar, befürchtet aber, dass er bei Subunternehmern und Infrastrukturprojekten nicht greifen werde, die nicht von Q22 kontrolliert werden, wohl aber für die WM gedacht sind.

Dafür hat die Studie sogar neun Jahre vor der WM schon erste Anhaltspunkte: So berichteten Arbeiter eines Zulieferers des »Sheraton Park Projekts«, das inklusive Hotels im Jahr 2022 als »FIFA cluster« geplant ist, von überlangen Schichten, fehlender Arbeitszeitverkürzung in heißen Sommermonaten und einer 7-Tage-Woche. Arbeiter müssten sogar selbst für ihre Aufenthaltsgenehmigung zahlen. Da Beschwerden nur auf arabisch möglich sind, und Gewerkschaften nicht helfen dürfen, bleiben diese Gesetzesverstöße ohne Konsequenzen von den Behörden - und von der FIFA. Der Verband müsse aber mehr Druck auf den Gastgeber ausüben, fordert Amnesty International.

Khalid bin Jassim Al Thani, Direktor der Menschenrechtsabteilung versichert, das Innenministerium würde alle Firmen regelmäßig kontrollieren. Die FIFA vertraut den Behörden offenbar. »Arbeiterrechte liegen primär nicht in unserer Verantwortung, sondern in der von Katar und den Baufirmen«, sagte FIFA-Präsident Sepp Blatter kürzlich, auch wenn er die Probleme bald erneut in Katar ansprechen wolle. Seine früheren Appelle scheinen nicht gefruchtet zu haben.

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