Wasserspiele statt Kinoorgel

Das Filmtheater Zoo Palast wird wiedereröffnet

  • Marc Hairapetian
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Kinosterben in Berlin, vor allem im Westteil, geht weiter. Durch den Verkauf des Maison de France ist auch die Zukunft des Cinema Paris unklar. Sollte es ebenfalls schließen, gäbe es mit der Astor Filmlounge nur noch ein einziges Lichtspielhaus am Kurfürstendamm, wenn man von Artur Brauners Hauskino, der ehemaligen Lupe im Hollywood Media Hotel, einmal absieht. Am heutigen Mittwoch kommt allerdings eine Legende wieder zurück: der Zoo Palast in der Hardenbergstraße, nur wenige Schritte von der Gedächtniskirche entfernt.

Nachdem vor drei Jahren die UCI den Betrieb des 1956 erbauten Hauses eingestellt hatte, schien Berlin um eine weitere Kult(ur)-Stätte ärmer. Schließlich war das Kino bis zur Jahrtausendwende das zentrale Wettbewerbskino der Berlinale, bevor diese zum Potsdamer Platz wechselte. Doch Unternehmer Hans Joachim Flebbe, der kurz nach seinem Rückzug aus dem Vorstand der Multiplex-Kinokette CinemaxX 2008 den ehemaligen Filmpalast am Kurfürstendamm in die Wohlfühloase Astor Film Lounge umwandelte, nahm sich des zum Teil denkmalgeschützten, aber sanierungsbedürftigen Hauses an.

Der aus Hannover stammende 62-jährige Chef der Premium Entertainment GmbH verfolgt dabei eine Mischung aus alter und neuer Konzeption: Wie in der Astor Film Lounge will er im Zoo Palast - neben gehobener Mainstream-Ware von heute - in Zusammenarbeit mit freischaffenden Cineasten auch Klassiker in analoger 70- und 35-mm-Projektion zeigen. Und 2014 wird der Leinwandtempel mit der leicht nach außen gewölbten Fassade aus hellgelben Keramikplatten, der in der Wirtschaftswunder-Ära nach Plänen der Architekten Paul Schwebes, Hans Schoszberger und Gerhard Fritsche erbaut wurde, wieder einer der Austragungsorte der Internationalen Filmfestspiele Berlins sein.

Da werden Erinnerungen an glorreiche Zeiten wach: Die Gala-Vorführungen der Hommage und die »Bären«-Preisverleihungen fanden früher im großen, 1070 Plätze umfassenden Saal statt. Der Verfasser dieses Textes konnte hier in den 90er Jahren als blutjunger Journalist Hollywood-Stars wie Kim Novak, Elia Kazan, Billy Wilder und Gregory Peck treffen, aber auch europäische Filmgrößen wie Sophia Loren, Alain Delon, Giuliano Montaldo und Bernhard Wicki.

Bereits lange vor der Eröffnung des Zoo Palasts, die am 28. Mai 1957 mit der Premiere von Helmut Käutners Lustspiel »Die Zürcher Verlobung« begangen wurde, wurden am selben Platz, aber in einem anderen Kino, Filme gezeigt: Bewegte Bilder liefen schon 1915 im Palasttheater am Zoo, das 1925 von der UFA übernommen wurde und Uraufführungen von Stummfilmen wie »Metropolis« und »Faust« erlebte. Damals hatte das Kino gar ein eigenes Orchester, ein Ballett und eine Kinoorgel. Durch einen Luftangriff im Zweiten Weltkrieg wurde das Palasttheater 1943 zerstört und 1955 komplett abgerissen. Ein Jahr später entstand dann der Zoo Palast.

Modernisiert mit Wiedererkennungswert - so lässt sich der Zoo Palast anno 2013 wohl am besten beschreiben. Eine Kinoorgel gibt es leider nicht mehr, dafür aber eine vom Architektenbüro Maske und Suhren vorgenommene, denkmalgerechte Restaurierung des einstigen »Bikinos«: Der große Saal hat jetzt »nur« noch 850 Sitze, dafür allerdings Wasserspiele und bequeme Ledersessel, in denen das Ansehen von Filmen auf der 21 mal 8,80 Meter großen Leinwand sicher nicht zur Tortur wird. Vor der Vorstellung öffnen sich nicht weniger als drei Vorhänge.

Neben modernster Digitaltechnik mit zwei Christie-423-4k/HFR-Projektoren und Dolby-Atmos-Tonsystem, stehen auch klassische 70- und 35mm-Projektoren zur Verfügung, die bei entsprechend aufgenommen Filmen immer noch eine feinkörnige Bildqualität liefern. Das ehemalige Atelier des Zoo Palastes hat nun 280 Sessel - davon 56 Logenplätze mit Liegefunktion. Fünf weitere Kinos (darunter zwei identische Club-Kinos mit Bar) vervollständigen das Gesamtpaket, das das Publikum weg vom heimischen Flachbildschirm zum Gemeinschaftserlebnis Kino locken soll.

Zur heutigen Eröffnung werden am roten Teppich ab 18.30 Uhr unter anderem Schauspielerin Iris Berben, Kameramann Michael Ballhaus und mit dem 95-jährigen Produzenten Artur Brauner der letzte deutsche »Film-Tycoon« erwartet. Durch den Abend führt Collien Ulmen-Fernandez. Im Foyer soll Cosma Shiva Hagen für musikalische Unterhaltung sorgen. Und Filme gibt es auch: Die Gäste können sich eine von drei aktuellen Produktionen aussuchen. Traditionsbewusst wird es allerdings nicht, denn ein Klassiker ist nicht dabei.

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