Düstere Wirtschaftsprognose für Osteuropa

Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche weiß nicht, »woher das Wachstum kommen soll«

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
»Warten auf externen Schub« titelt das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) seine Prognose für 2014 und 2015. Das Problem Osteuropas widerspiegelt die Lage im Westen.

»Wir wissen nicht, woher das Wachstum kommen soll«, resümierte der WIIW-Experte Vasily Astrov auf der Pressekonferenz des renommierten Wiener Instituts.

Eine Wirtschaftsweise, die auf - möglichst hohen - Wachstumsraten basiert, geht demnächst in ihr siebentes Krisenjahr. Die östliche Peripherie Europas ist davon besonders stark betroffen. Das Jahr 2012 sah acht (von 17) osteuropäischen Staaten in einer Rezession, vier davon - Ungarn, Kroatien, Tschechien und Slowenien - sind Mitglieder der Europäischen Union. Darunter kann sich nur Ungarn laut Prognose des WIIW Hoffnungen machen, 2014 die sogenannten negativen Wachstumsraten abschütteln zu können.

Auch Polens Wirtschaft, in den Jahren zuvor meist überdurchschnittlich dynamisch, bricht ein. Die Spezialisten des WIIW führen die »sehr unbefriedigende Wachstumsperformance« vor allem auf die sinkende Inlandsnachfrage zurück. Die wiederum wurzelt einerseits in steigender Arbeitslosigkeit, die zu stagnierenden oder gar sinkenden Löhnen führt und in der Folge den Konsum deutlich bremst, und andererseits in der Kreditklemme der allesamt westeuropäischen Bankhäuser. Die Banken verweisen auf das Basel-III-Paket, das unter anderem höhere Eigenkapitalquoten vorschreibt und die Banken zu einem Sanierungskurs veranlasst, statt dass sie Kapital als Kredite in den Wirtschaftskreislauf pumpen.

Außerhalb des EU-Einflussbereiches, in Russland, in der Ukraine und in Kasachstan, ist die heimische Nachfrage deutlich lebhafter. Dort werfen großteils russische Banken mit Krediten lockerer um sich, was allerdings auch die Gefahr von Zahlungsausfällen erhöht.

Dramatisch stellt sich die Lage in der Industrie dar: Der Export gerät überall im Osten ins Stocken. Einzig Serbien erzielte 2012 ein nennenswertes Plus in diesem Sektor. Das war allerdings auf eine einzige Produktionsstätte zurückzuführen, das Fiat-Autowerk in Kragujevac.

Auch russische Exporte sind im Jahresvergleich deutlich zurückgegangen. Und in der Ukraine macht sich die Sanktionspolitik Moskaus, die Kiew vom Assoziierungsabkommen mit der EU abgebracht hat, für das Jahr 2012 negativ bemerkbar.

Nachgerade bedrückend ist die Situation am Arbeitsmarkt. Außer in den drei baltischen Republiken hat die Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr überall im Osten zugenommen. Kroatien mit einer offiziell gemeldeten Arbeitslosenquote von 17,5 Prozent führt die Liste der östlichen EU-Staaten an, gefolgt von der Slowakei mit 14,5 und Bulgarien mit 13 Prozent. Außerhalb der EU melden Mazedonien, Bosnien und das gesondert behandelte Kosovo knapp über oder unter 30 Prozent, während in Russland, Kasachstan und der Ukraine die Situation mit 5 bis 7,5 Prozent vergleichsweise entspannt ist.

Dem mehr als 20 Jahre zurückliegenden Versprechen des vermeintlich goldenen Westens, eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union würde Einkommen und Wohlstand vermehren, widerspricht die Statistik. Vergleicht man die gegenwärtigen Realeinkommen mit denen des Jahres 2008 und nimmt die Gesamt-EU als Referenz, dann hat sich das Prokopf-Bruttoinlandsprodukt in allen osteuropäischen Staaten kaum erhöht, in Tschechien, Kroatien, Slowenien und Serbien ist es sogar zurückgegangen.

Das ist umso dramatischer, als diese Kennziffer nichts über die soziale Verteilung aussagt, sondern Verlierer und Profiteure als volkswirtschaftliches Ganzes betrachtet.

Der Trost, dass auch Russland und die Ukraine im selben Zeitraum gegenüber der Gesamt-EU nur wenig aufholen konnten, ist freilich keiner. »Kein Aufschwung in Sicht«, schloss das WIIW seine Prognose.

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