Moskau wirbt nicht hoffnungslos

Der Eintritt der Ukraine in prorussische Strukturen könnte künftig auch andere Bewerber locken

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Während in Kiew gegen den Stopp der EU-Assoziierung protestiert wird, versucht Moskau der Ukraine den Beitritt zu Zollunion und Eurasischer Wirtschaftsgemeinschaft schmackhaft zu machen.

Russlands Vizepremier Igor Schuwalow stellte am Montag neben Nachlässen für russische Gasimporte auch langfristige zinsgünstige Darlehen in Aussicht. Russland hatte mit der Ukraine 2009 einen Vertrag mit langen Laufzeiten geschlossen. Seither muss sie 300 US-Dollar für 1000 Kubikmeter bezahlen, dazu hohe Strafen für Nichtabnahme, auch wenn gar kein Bedarf besteht. Auch deshalb steht Kiew bei Moskau mit fast 30 Milliarden US-Dollar in der Kreide.

Zwar haben EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) der Ukraine ebenfalls finanzielle Hilfe zugesagt. Aber entsprechende Darlehen sollten nur tröpfchenweise fließen, selbst wenn Präsident Viktor Janukowitsch das Assoziierungsabkommen in Vilnius unterzeichnet hätte. Zudem sind sie an harte Bedingungen geknüpft.

In Moskau kursieren Gerüchte, nach denen Janukowitsch bei Verhandlungen mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin Mitte Dezember in Moskau nachgeben werde. Die Mitgliedschaft in prorussischen Strukturen und gleichzeitig eine Freihandelszone mit der EU kommt für Moskau - wie auch für Brüssel - jedenfalls nicht in Frage. Russland müsse seine Produzenten schützen und dafür sorgen, dass die Arbeitslosigkeit niedrig bleibe, sagte Putin bei seinem Besuch in Italien vor einigen Tagen. Die Freihandelszone Russlands mit der Ukraine verliere daher automatisch ihre Gültigkeit, wenn eine der beiden Seiten mit Drittstaaten den freien Verkehr von Waren vereinbare.

Russische Experten, darunter auch sehr kritische, unterstellen Janukowitsch indes, er wolle auf beiden Seiten kassieren. Sobald Geld aus Moskau geflossen sei, würde er erneut eine Kehrtwendung Richtung EU vollziehen. Das wäre ein herber Rückschlag für Putins außenpolitischen Höhenflug der letzten Monate. Und Moskaus Drohpotenzial gegenüber dem kleineren slawischen Bruder hält sich in Grenzen. Die russische Schwarzmeerflotte ist nach wie vor im ukrainischen Sewastopol auf der Krim stationiert. Der Bau eines eigenen Militärhafens an der kaukasischen Schwarzmeerküste würde Moskau viel Geld und vor allem Zeit kosten.

Druck des Kremls könnte die Ukraine zudem veranlassen, ihren in der Verfassung festgeschriebenen Neutralitätsstatus aufzugeben. Der entlastet Russland an seiner Südwestflanke. Dies um so mehr, da die USA in Bulgarien und Rumänien Teile ihrer globalen Raketenabwehr stationieren wollen, durch die sich Moskau bedroht fühlt.

Andererseits macht der Beitritt der Ukraine zur Zollunion auch für UdSSR-Spaltprodukte mit bisher neutraler Außenpolitik wie Aserbaidshan einen Wechsel ins russische Lager attraktiv. Denn darin befände sich in solchem Fall ja auch die nach Russland bevölkerungsreichste ehemalige Sowjetrepublik mit der zweitstärksten Volkswirtschaft. Längerfristig und bei günstiger Konstellation wäre das sogar für die prowestlichen Republiken Moldau und Georgien interessant, die in Vilnius eigene Assoziierungsabkommen mit der EU paraphiert haben.

Doch paraphiert ist, wie das Beispiel Ukraine zeigt, nicht unterzeichnet und schon gar nicht ratifiziert. Moskau dürfte nichts unversucht lassen, um den Regierungen in Chisinău und Tbilissi klar zu machen, dass mit einer EU-Assoziierung deren Chancen auf eine Wiederherstellung ihrer staatlichen Einheit weiter sinken. Denn die Separatisten in der Dnjestr-Republik, in Abchasien und Südossetien sind von Moskau abhängig und widersetzen sich wie Russland energisch einer Assoziierung mit der EU.

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