Der nette Nazi von nebenan

  • Marcus Meier, Bochum
  • Lesedauer: 3 Min.
Michael Brück, Neonazi, studiert Jura an der Ruhr-Universität. Aktivisten wiesen darauf hin, die Aktion mündete in einer Rangelei. Nun gelten die Nazigegner als das eigentliche Problem.

Die Aktion ist auch bei Linken umstritten, wegen ihrer Form, wegen ihres Misslingens: Am Montag unterbrachen rund 20 als Weihnachtsmänner verkleidete oder mit »Anonymus«-Masken vermummte Menschen eine Jura-Einführungs-Vorlesung an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Mit Megafon und Flugblättern wollten sie die anwesenden Jura-Erstsemester darauf hinweisen, dass mitten unter ihnen ein bundesweit bedeutsamer Neonazi-Aktivist sitzt.

Michael Brück war führender Kader des zwischenzeitlich verbotenen »Nationalen Widerstands Dortmund« und ist stellvertretender NRW-Vorsitzender der Pseudopartei »Die Rechte«, die rechts von der NPD angesiedelt ist. Seit Oktober studiert Brück Rechtswissenschaften. Das war selbst der RUB-Spitze bis dato unbekannt.

Doch die Outingaktion lief aus dem Ruder. Ein mit einem Mobiltelefon aufgenommenes Video zeigt, wie der aufgebrachte Dozent, Professor Georg Borges, die Aktivisten anbrüllt, auf einen »Weihnachtsmann« losstürmt und ihn rüde attackiert. Es kommt zu einem Tumult. Dabei, so behauptet Borges, sei ihm ins Gesicht geschlagen worden. Vier der Aktivisten wurden, an ihrer Maskierung erkannt, von der Polizei aufgegriffen. Strafanzeigen wurden erstattet.

Als das eigentliche Problem gelten nun die Anti-Nazi-Aktivisten. Die Unileitung belobigte noch am Tag der Aktion die Zivilcourage» des Professor und verurteilte «auf das Schärfste» den «tätlichen Angriff auf den Juristen». Die Lokalpresse verglich die Aktion mit Nazigewalttaten gegen jüdische Professoren zu Beginn des «Dritten Reichs», ließ zudem wilde Gewaltgerüchte kursieren. Ein Stück weit versachlichte sich die Debatte, als am Dienstagabend besagtes Video öffentlich wurde, das die Vorwürfe arg einseitig erscheinen ließ.

Schaut man in Internetforen, wird deutlich: Die Outingaktion wurde von den Anwesenden als bedrohlich wahrgenommen. Viele jedoch halten es darüber hinaus für falsch, einen Nazikader zu «outen». Mitunter paart sich diese Einschätzung mit Ressentiments gegen Linke oder «die Antifa».

Auch die Unileitung kritisierte flugs «das gezielte Anprangern eines Jurastudenten», also des Stiefelfaschisten Brück. «Wir können es nicht dulden, dass Mitglieder unserer Universität so massiv angegangen werden», ließ RUB-Rektor Elmar Weiler sich zitieren. Der Pflanzenphysiologe sah des Nazis Persönlichkeitsrechte verletzt, was «nicht hinnehmbar» sei. Anti-Brück-Plakate («Duldet keine gewaltbereiten Neonazis an der Uni!») ließ das Rektorat im Eiltempo entfernen.

«Die Unileitung setzt alles daran, ihr Naziproblem zu vertuschen», ärgern sich die Aktivisten. «Wir nehmen unsere Pflichten wahr. Herr Brück darf an der RUB studieren und wir müssen unsere Studierenden schützen, notfalls auch mit Hilfe der Polizei», kontert eine Unisprecherin. Eine andere Situation entstünde erst, wenn Herr Brück an der RUB Straftaten begehen würde.

Vielleicht sollte die RUB-Spitze nach Bielefeld schauen. Dort hatten sich gleich fünf Neonazis eingeschrieben. Die Hochschule reagierte mit einer breit angelegten Kampagne namens «Uni ohne Vorurteile», die insbesondere Erstsemester ansprach. Postkarten, Buttons, eine Ringvorlesung und Fortbildungen für Lehrende: das Spektrum war breit. Weitere Aktionen sind geplant - ohne Masken, aber auch ohne Widerstand des Rektorats. Das war in Bielefeld nämlich vorne mit dabei.

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