Onkel Jang

Jang Song Taek wurde von seinem Neffen demonstrativ entmachtet

  • Jonas Wegmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Verwandte können Stützen der Macht sein. Zuweilen kennt man sie aber auch nicht mehr, wenn es um eben diese Macht geht. Jang Song Taek ist der Onkel von Nordkoreas Staatsführer Kim Jong Un. Lange galt er als Förderer und Rückhalt seines Neffen. Nun wurde der 67-Jährige als krimineller Schurke wegen »konterrevolutionärer Umtriebe« offenbar am Sonntag vor- und aus dem Kreis der Mächtigen und Ohnmächtigen im Politbüro von zwei Uniformierten abgeführt. Sein weiteres Schicksal ist ungewiss. Selbst seine Erschießung wurde schon vermutet.

Die Liste der angeblichen Verfehlungen Jangs ist nun länger als zuvor die Liste der Verdienste. Drogenkonsum, Vielweiberei, Spiellust in Kasinos und Genusssucht in edlen Hinterzimmern von Restaurants - kurz: Faulheit und Verdorbenheit sind die geringeren Vorwürfe. Schwerer wiegen die Anklagen, Industriegüter verschleudert, das nordkoreanische Finanzsystem ins Chaos gestürzt und Fraktionsbildung betrieben zu haben. Was Wahrheit und was Legende ist, wissen aber nur die Akteure selbst. Mittäter, derer es angesichts des Zustandes der Volksrepublik einige weiterhin in Amt und Würden geben dürfte, bleiben ungenannt.

Bis zu seiner gewaltsamen Entfernung aus dem Führungszirkel galt Jang als graue Eminenz, war Vizevorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission, natürlich im Politbüro, und faktisch der zweite Mann im Staate. Seine Frau Kim Kyong Hui, eine Vier-Sterne-Generalin, war vor allem aber Schwester Kim Jong Ils, des Vaters von Kim Jong Un.

Onkel Jang war in den Jahren 2003 bis 2006 schon einmal von der politischen Bühne verschwunden. Seine jetzige unsanfte und vor allem öffentlich zelebrierte Entfernung aus dem engsten Führungskreis dürfte wohl endgültig sein. Sie kann, wie Beobachter meinen, eine fundamentale Veränderung im Machtgefüge oder der Rausschmiss eines Reformers sein. Als Warnung dient der Vorgang allemal. Vielleicht aber wollte der 30-jährige Kim nur die Botschaft loswerden, dass er jetzt erwachsen sei.

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