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Abschied vom Vater der Nation

Bewegende Trauerfeier für Nelson Mandela

  • Martin Ling und 
Armin Osmanovic, Johannesburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nelson Mandelas Tod wird betrauert, sein 
Lebenswerk gefeiert. In dieser Mischung fand im Stadion Soccer City im Johannesburger Stadtteil Soweto am Dienstag die größte Trauerfeier statt, die Südafrika je erlebt hat. Staats- und Regierungschefs aus aller Welt waren gekommen – und Tausende Südafrikaner aller Ethnien, Haut-
farben und Religionen. Exakt 20 Jahre, nachdem Nelson Mandela zusammen mit Frederik Willem de Klerk den Friedensnobelpreis in Oslo entgegengenommen hatte.

Die Meteorologen haben sicher eine plausible Erklärung. Erklärungsbedürftig ist es zumindest, dass der Himmel über Johannesburg seit dem Tod Nelson Mandelas am vergangen Donnerstag bewölkt ist. Fast unablässig regnet es - völlig untypisch für die Jahreszeit. Nach afrikanischer Tradition ist dies ein Zeichen dafür, dass ein verehrter Stammesältester gestorben ist und seine Vorfahren ihn im nächsten Leben begrüßen. Ein Zeichen, das Trost spendet.

Der strömende Regen in Johannesburg hielt jedoch niemanden von der Anteilnahme ab. Während sich die Straßen in Bäche verwandelten, verfolgten am Mittwoch Menschen überall in der Stadt auf Großbildleinwänden die Trauerfeier. Und viele tausend Südafrikaner hatten sich schon in den frühen Morgenstunden nach Soccer City im Township Soweto aufgemacht, um sich für einen Platz im WM-Stadion von 2010 anzustellen. Dort hatte Nelson Mandela vor dem Finale der Fußball-WM seinen letzten öffentlichen Auftritt - mit 92 Jahren, dick in Jacken und Decken eingepackt im südafrikanischen Winter. Auch wenn das über 90 000 Menschen fassende Stadion wegen der widrigen Umstände nicht komplett gefüllt war - Zehntausende waren gekommen, um Mandela die letzte Ehre zu erweisen. Auf den Rängen zeigte sich ein Meer von Schirmen.

Aus den Reden

Andrew Mlangeni, Zellen- nachbar auf Robben Island

»Es besteht gar kein Zweifel, dass er ein Lächeln im Gesicht hat, während er sein Land nun vereint sieht, ihm zu Ehren.«

Mbuso Mandela, Enkel

»Du hast uns sehr viel gebracht. Du hast uns in eine Zukunft gewiesen, in der Schwarz und Weiß, Reich und Arm gemeinsam in einer Welt leben können.«

Thanduxolo Mandela, Sprecher der Familie

»Ein ruhmreiches Leben ist zu Ende gegangen. Aber aus unseren Köpfen wird er nie verschwinden. Denn er hat uns zur Versöhnung geführt.«

Barack Obama, USA-Präsident

»An die Menschen in Südafrika - Menschen jeder Ethnie und aus allen Schichten - die Welt dankt Euch dafür, dass Ihr Nelson Mandela mit uns geteilt habt.« »Sein Kampf war euer Kampf. Sein Triumph war euer Triumph« Nelson Mandela war »ein historischer Riese, der die Nation in Richtung Gerechtigkeit bewegt hat und diesem Prozess haben sich Milliarden Menschen auf dem Globus angeschlossen.«

Ban Ki-Moon, UNO-Generalsekretär

»Er hat die großartige Macht der Vergebung gezeigt, indem er Menschen zusammenbrachte, das ist die wahre Bedeutung von Frieden.« »Ich hoffe, dass wir den Regenbogen bald durch den Regen der Trauer scheinen sehen können.«

Dilma Rousseff, Präsidentin Brasiliens

»Unsere brasilianische Nation, in der wir mit Stolz das afrikanische Blut tragen, wir weinen und bedauern den Tod von Nelson Mandela.« »Mandela ist ein Vorbild für alle, die Freiheit, Gerechtigkeit und Weltfrieden anstreben.«

Raúl Castro, Präsident Kubas

»Gemeinsam mit seinen Kampfgefährten lenkte er sein Volk im Kampf gegen die Apartheid, um den Weg für ein neues, nichtrassistisches Südafrika zu öffnen.« »Er war ein Beispiel der Integrität und Beharrlichkeit ... er stand an der Spitze bei der Anstrengung, die Armut auszurotten, die Ungleichheit zu verringern. Mandela ist ein unübertreffliches Beispiel für Lateinamerika und die Karibik.«

Jacob Zuma, Präsident Südafrikas

»Wir nennen Madiba nicht nur unseren Vater der Nation, um politisch korrekt zu sein. Mandela hat ein starkes Fundament gebaut. Ein Land, das vereint ist, demokratisch und wirtschaftlich blühend.«

Regen passt zur Regenbogennation, als deren Vater Nelson Mandela unangefochten gilt. Schon im Rivonia-Prozess 1963-64, in dem er und seine Mitangeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, hatte er seine Gesellschaftsvorstellung benannt: »Mein teuerstes Ideal ist eine freie und demokratische Gesellschaft, in der alle in Harmonie mit gleichen Chancen leben können.« Auf dieses Ideal nahmen alle Redner der Trauerfeier Bezug, ob sein Zellennachbar auf Robben Island, Andrew Mlangeni, ob der bei der Begrüßung ausgebuhte südafrikanische Staatspräsident Jacob Zuma, dessen Rede später überwiegend mit Beifall bedacht wurde, ob der allseits gefeierte USA-Präsident Barack Obama oder Kubas Staatschef Raúl Castro, der seine Akzente auf die Gleichheit und den Befreiungskampf setzte. Castro und Obama begrüßten einander im Stadion durchaus freundlich - von einem »historischen Handschlag« war die Rede.

Die Zuschauer gaben sich nicht mit einer passiven Rolle zufrieden, sondern priesen Mandela immer wieder in lautstarken Gesängen. Teilweise so lautstark, dass der durch die Feier führende ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa das Publikum mit Verweis auf Mandelas Vorbild zur Disziplin aufrief - mit beschränktem Erfolg. Viele verließen nach der Rede Obamas, die sie offenbar als Höhepunkt einschätzten, das Stadion - noch bevor Zuma sich ans Redepult begab, um den Reigen der redenden Staats- und Regierungschefs zu beschließen. Das tat er mit durchaus inhaltsschweren Worten, wenn auch vom Blatt abgelesen und weit weniger empathisch als Obama. »Es gibt niemanden wie Madiba. Er war schlicht einzigartig«, sagte Zuma. Mandela hinterlasse eine Nation, die ihn liebe. Einen Kontinent, der stolz ist, ihn Afrikaner nennen zu dürfen.

Mandelas Enkel Mbuso fand bewegende, persönliche Worte: »Er war unser Licht, er hat uns geleitet.« Ein Südafrikaner, der diese Rolle übernehmen könnte, ist nicht in Sicht. Eine ernüchternde Erkenntnis, die am Dienstag vielen Südafrikanern wieder bewusst wurde.

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