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Bestell’ die Suppe!

Über 50 Restaurants spenden für jede verkaufte Schüssel einen Euro an die Tafel

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 4 Min.
Lecker Suppe gegen soziale Kälte: In über 50 Berliner Restaurants gibt es »Suppe mit Sinn«. Ein Euro von ihrem Erlös geht an die Berliner Tafel.

Berlin ist hässlich im Winter. Schneeregen taucht die Stadt in Grau. Mit eingezogenem Kopf läuft man durch die Straßen, die Hände tief in den Taschen vergraben. Jetzt ein Teller Suppe! Nichts vertreibt die unangenehme Kälte besser. Zum Beispiel im Nola’s am Weinbergsweg. Wenn dort die Kellnerin eine dampfende Schüssel mit »Gerschtä Suppä« an den Tisch bringt, leuchten die Augen der Gäste und der helle Raum wirkt gleich noch ein bisschen freundlicher. Und das Beste: Die Suppe hat nicht nur Geschmack, sondern auch Sinn. Ein Euro ihres Preises geht an die, die selten oder nie den Luxus einer warmen Mahlzeit haben.

Zumindest indirekt. Denn »Suppe mit Sinn« ist eine Aktion der Berliner Tafel. Eigentlich sammelt die sonst nicht Bares, sondern Überflüssiges: Lebensmittel, die in den Regalen der Supermärkte keine Verkaufschance haben, weil die Packung zerrissen oder das Haltbarkeitsdatum knapp abgelaufen ist. Längst ist die Tafel eine Institution geworden, und der tägliche Aufwand kostet: die Autos, die die Waren abholen. Die Angestellten, auch wenn viele Helfer ehrenamtlich arbeiten. Und die Miete für Büros und Lager. Zwischen 800 000 und 900 000 Euro gibt die Berliner Tafel jedes Jahr aus. Aber sie nimmt auch ebenso viel ein. »Fundraising-Aktionen sind neben unseren Mitgliedschaften überlebenswichtig für uns«, sagt Sabine Werth, Gründerin der 20-jährigen Organisation und heute Vorstand.

»Suppe mit Sinn« gibt es seit Mitte November und zum ersten Mal in Berlin. Gerade wurde die Aktion bis Ende Januar 2014 verlängert. Die Chancen stehen gut, dass sie ab jetzt jedes Jahr stattfindet. Das Wiener Konzept ist in der Hauptstadt schnell durchgestartet: Über 50 Restaurants beteiligen sich schon jetzt, in jedem Bezirk mindestens ein oder zwei, in Charlottenburg und Mitte sind es zwölf. Das Nola’s am Weinbergsweg gehört dazu.

Wer das Restaurant in dem kleinen Park nahe Rosenthaler Platz betritt, wird gleich am Eingang mit dem grünen »Suppe«-Logo empfangen. Auf den Tischen liegen Flyer, die die Aktion erklären - nur nicht ganz deutlich. »Viele fragen erst nach, was das denn sei, und welche Suppe man bekommt«, erzählt Geschäftsführerin Ute Sedelies. Manche Restaurants bieten eine spezielle Tafelsuppe an. Das Nola’s hat seine Karte für die Aktion nicht verändert. Auch die Preise sind dieselben. Im Nola’s spendet jeder, der eine der Suppen bestellt - ob er es merkt oder nicht. Ein Euro wird für jede Schale überwiesen, Gewinn macht das Restaurant selbst kaum mehr daran. Als Teilnehmer hätte das Nola’s auch Aufsteller und T-Shirts haben können. »Dann wäre hier ja alles grün!«, meint Sedelies. Sonst mag sie das Konzept der Aktion sehr. »Es macht wenig Aufwand und passt zu uns.« Der Bezug zum eigenen Kiez, Winteranfang, Suppe - das sei einfach stimmig. »Suppe ist mehr als eine Speise«, ein Symbol, findet die Geschäftsführerin. Tatsächlich ist das Nola’s das Restaurant, wo bisher die meisten »Suppen mit Sinn« über die Theke gewandert sind. Die Verkaufszahlen hat die Aktion aber nicht gesteigert, räumt Sedelies ein.

Die Gastronomin ist froh, dass die Gäste gut reagieren. »Wir wollen ihnen einen Ort bieten, wo sie Ruhe finden - auch vor den Sorgen anderer.« Betteln, Musizieren, die »Motz« verkaufen - all das ist hier nicht erlaubt, auch nicht im Sommer auf der Terrasse. Auf der anderen Seite will Sedelies sehr gern helfen, mit der Aktion könne sie das. »Viele Menschen schieben die Verantwortung einfach weg«, beklagt sie. Man zahle ja Steuern. Geld sei in Deutschland etwas sehr Privates, die »Nimm nichts, gib nichts«-Mentalität weit verbreitet. Und die Besucher, die sich für eine Sinn-Suppe entscheiden, tun das eher nebenbei und wollen keine besondere Behandlung. Die Papiertischdecken mit dem Logo der Aktion lehnen die meisten ab. »Sie fühlen sich dann wohl so, als hängt ein Leuchtschild über ihnen: Hier, ich spende!«

Der Staat oder jeder Einzelne - wer nun verantwortlich ist für Notleidende, ist für Tafel-Chefin Sabine Werth keine Frage. »Ganz vorrangig die Politik!« Sie wehrt sich gegen Vorwürfe, wie sie zum 20. Jubiläum des Vereins im Frühjahr laut wurden: Die Tafel würde ein Almosensystem unterstützen, das Armut erst hervorbringe. »Wir dürfen keine Selbstverständlichkeit sein!«, ist sie überzeugt. »Aber was soll man tun: tatenlos zusehen?«

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